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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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ihn an und wirkte mit einem Mal um Jahre gealtert. »Nein, das tun wir nicht. Das habe ich verdient, Michael. Und das Urteil lautet nicht auf vorsätzlichen Mord. Sie haben gute Arbeit geleistet. Jetzt wissen alle, dass ich sie nicht töten wollte. Allein das ist mir wichtig.« Er wandte sich zu seinen Eltern, die ihn umarmten.
    Die Mitarbeiter, die Michael bei diesem Fall geholfen hatten, drängten sich um ihn und gratulierten, weil nicht auf vorsätzlichen Mord befunden worden war. Er wusste, dass dieser Fall hier ein Präzedenzfall für den ganzen Staat Washington werden würde. Es zeigte, dass die Geschworenen posttraumatische Belastungsstörungen wirklich ernst nahmen. Sie glaubten, dass Keith seine Frau nicht absichtlich getötet hatte. Für die jungen Anwälte, die noch keine Erfahrung mit der manchmal bestehenden Kluft zwischen Recht und Gerechtigkeit hatten, war dies nur ein Grund zur Freude, weil sie gewonnen hatten. Für sie war es einfach ein Sieg trotz geringer Chancen. Sie würden ihn nur noch für juristische Belange in Erinnerung behalten. Aber Keith, der hinter Gittern saß und Alpträume hatte, würden sie vergessen.
    »Ich verdiene es, ins Gefängnis zu kommen«, sagte Keith zu ihm. »Das hab ich von Anfang an gesagt. Vielleicht haben Sie recht und der Krieg hat mich gebrochen, aber Emily ist tot, und ich habe sie getötet.«
    »Aber Sie wollten es nicht.«
    »Nicht die Absicht zählt, sondern nur die Tat. Mein Ausbilder hat das immer wieder gesagt. Wir sind, was wir tun und sagen, nicht was wir wollen. Ich wollte Emily tausendmal sagen, dass ich Probleme habe, aber ich habe es nie getan. Hätte ich ihr nur die Wahrheit gesagt, dann hätten wir vielleicht eine Chance gehabt. Aber ich danke Ihnen, Michael. Ehrlich.«
    Dann kam der Gerichtsdiener und führte Keith ab.
    Michael blieb im Gerichtssaal, bis alle anderen gegangen waren. Die Kellers dankten ihm ebenso wie Emilys Eltern, doch er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er hatte das Beste für ihren Sohn getan, aber ganz hatte es nicht gereicht. Ihm fiel wieder ein, dass sein Vater einmal gesagt hatte, Gespenster seien der Fluch der Verteidiger, und er wusste, dass dieser Fall ihn heimsuchen würde. Er würde sich für immer fragen, ob er nicht mehr hätte tun können oder ob es vielleicht ein Fehler gewesen war, Keith in den Zeugenstand zu rufen.
    Auf dem Heimweg ging er den Fall immer wieder im Kopf durch und versuchte seine verschiedenen Entscheidungen zu überdenken. Hätte eine Änderung dieser Entscheidungen auch den Ausgang des Prozesses verändert? Dann begann er, seine Verteidigung für die nächste Phase des Prozesses zu planen, in der er um Gnade in Form einer geringeren Haftstrafe plädieren wollte …
    Aber als er sein Haus betrat, fiel all das von ihm ab. Er merkte sofort, dass Betsy und Lulu sich gestritten hatten. Lulu hatte rote geschwollene Augen, und Betsy schrie sie an.
    »Sie ist NICHT mein Boss«, heulte Lulu, als sie sich in seine Arme stürzte.
    Betsy verdrehte die Augen und stampfte davon.
    Das konnte Michael jetzt gar nicht gebrauchen. Nicht heute Abend. »Wo ist eure Mom?«, fragte er schärfer als beabsichtigt.
    Lulu sah ihn durch ihre verweinten Augen an. »In ihrem Zimmer. Sie hasst uns.«
    »Ich muss mit ihr reden.« Er versuchte Lulu abzusetzen, aber sie hing wie eine Klette an ihm und weinte noch heftiger.
    »Verdammt, Lulu …«
    »D… du hast ein b… böses Wort gesagt.«
    »Ich weiß. Entschuldige.« Er küsste sie auf ihre feuchte Wange und setzte sie auf dem Boden ab. »Bleib hier«, befahl er, bevor er zu Jolenes Zimmer ging, klopfte und sofort die Tür aufstieß.
    Sie saß mit zerzausten Haaren auf ihrem Bett und starrte auf Tamis ungeöffneten Brief.
    »Lies ihn«, fuhr er sie harsch an.
    Sie beachtete ihn nicht.
    Er sah, dass auf dem Nachttisch eine geöffnete Weinflasche stand. Ohne nachzudenken, ging er dorthin, packte die Flasche und sagte: »Das reicht, Jo.«
    Sie streckte die Hand aus. »Hör auf …«
    »Womit soll ich denn aufhören?«, brüllte er. »Dich zu lieben? Dich zu begehren? Angst zu haben, dass du dich ins Koma säufst?«
    Sie zuckte zusammen, als sie das Wort »Koma« hörte.
    Er sah, dass ihr Blick wieder ausdruckslos wurde. Sie zog sich zurück, verbarg sich mit ihrem Schmerz an jenem dunklen Ort in ihrem Innern, zu dem er nie Zugang gehabt hatte. »Das reicht!«, brüllte er noch einmal. »Bevor du weggegangen bist, war ich ein Arschloch, ich gebe es zu. Ich war ein

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