Zwischen uns das Meer (German Edition)
hatte Keith bei der Befragung einmal »Ich bin schuldig« gesagt und dann auf Michaels Fragen nur noch mit einem trüben Blick reagiert. Hin und wieder murmelte er zwar »Ich hab sie umgebracht«, aber mehr auch nicht. Das war nicht besonders konstruktiv.
In der Zwischenzeit musste sich Michael zu Hause mit Jolenes Listen abplagen. Jedes Mal, wenn sie seine Aufmerksamkeit erhaschte, drückte sie ihm wieder irgendeine Pflicht auf: Vergiss nicht, im November die Rohre zu umwickeln … die Pflanzen zu düngen … den Grill zu reinigen . Damit verbrachten sie jetzt ihre Abende.
Tagsüber war sie am Stützpunkt und bereitete alles für ihren Aufbruch vor. Er merkte ihr an, dass sie langsam darauf brannte loszulegen. Am Abend zuvor hatte sie ihm gestanden, dass sie los wollte, um es hinter sich zu bringen und wieder nach Hause zu können.
Ihr Wunsch würde ihr bald erfüllt werden.
In zwei Tagen würde er sich von seiner Frau verabschieden, zusehen, wie sie in einen Bus der Army stieg und verschwand.
Er wäre zu gern gelassen, entschlossen und verlässlich gewesen. Aber im letzten Monat hatte er etwas über sich gelernt: Er war selbstsüchtig. Er war auch besorgt, hatte Angst und war sauer. Ehrlich gesagt, war er vor allem sauer. Er war wütend, weil sie die Armee ihrer Familie vorzog, wütend, dass sie nicht schon vor Jahren gekündigt hatte, wütend, dass ihm in dieser Angelegenheit keine Wahl blieb.
Er war zu diesem lächerlichen Angehörigentreffen gegangen, das Jolene ihm empfohlen hatte. Das war ein Debakel gewesen. Er war schon den ganzen Tag überall zu spät gekommen, und dieses Treffen bildete keine Ausnahme. Als er schließlich völlig atemlos und leicht aufgelöst dort eintraf, hatte er in seiner Aktentasche gewühlt, um das Formular mit dem Kontaktnamen zu finden. Er betrat den Raum und sah: Frauen. Nur Frauen. Es waren mindestens fünfzig, und die meisten mühten sich mit schreienden und quengelnden Kindern ab. Auf einem Whiteboard las er Unterstützen Sie Ihren Soldaten. Darunter stand eine Liste. Care-Pakete. Anrufe. Einsamkeit. Sex. Finanzielle Hilfe. Als würde er mit diesen Fremden über die Probleme reden, die er mit der Einberufung seiner Frau hatte!
Als er eintrat, starrten alle Frauen ihn an. Es wurde mucksmäuschenstill.
»Tut mir leid«, murmelte er, »ich hab mich im Raum geirrt«, und dann verschwand er wieder.
Er hatte nicht die Absicht, sich anzuhören, wie diese Frauen über eheliche Pflichten redeten, während ihre Soldaten an der Front waren.
Wohin er auch ging, schienen alle schon Bescheid zu wissen. Er hasste es, wie die Leute ihn ansahen, wenn sie hörten, dass Jolene in den Irak ging. Ihre Frau zieht in den Krieg? Er sah, wie sie die Stirn runzelten, weil sie sich ihn mit einer Küchenschürze vorstellten, wie er Kuchenteig in einer Schüssel anrührte. Seine liberalen, intellektuellen Freunde wussten nicht, was sie dazu sagen sollten. Sie brachten immer ganz schnell das Gespräch auf George W. und seine Politik und schlossen, dass Jolene für nichts und wieder nichts ihr Leben riskierte. Und was zum Teufel sollte Michael dann dazu sagen?
Er wusste, dass er Kriegsgegner sein und trotzdem die Soldaten unterstützen konnte. Das war normalerweise auch die Position, die er vertrat, eine achtbare Position, aber bei seiner Frau konnte er sie nicht umsetzen. Er schaffte es einfach nicht, ihre Entscheidung mit zu tragen.
Das wusste sie auch, sie bemerkte seine Wut und seinen Groll. Sie kannten einander zu gut, um derart kontaminierte Gefühle zu verbergen. Da die Liebe sie nicht mehr schützte, waren sie beide so nackt wie Brandopfer; jede Berührung schmerzte.
Also sah er sie kaum an, berührte sie nie und vergrub sich in Arbeit. Mit dieser Methode hatte er die letzten zwei Wochen überlebt. Durch Abwesenheit. Er brach früh zur Arbeit auf und blieb so lange wie möglich. Nachts lagen er und Jolene weit auseinander in ihrem Bett und starrten wortlos, ohne sich zu berühren, in die Dunkelheit. Keiner von ihnen schlief viel, aber beide taten so, als fänden sie Trost im Schlaf. Ein einziges Mal hatte Jolene die Hand nach ihm ausgestreckt, um ihm zu signalisieren, dass sie mit ihm schlafen wollte. Leise hatte sie gesagt: »Ich gehe fort, Michael.« Aber er war zu wütend auf sie gewesen, um irgendwelche Nähe zuzulassen, und hatte sich auf die andere Seite gedreht. Am nächsten Morgen hatte er Schmerz und Demütigung in ihren Augen gesehen, und dafür schämte er sich. Aber er konnte
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