Zwischen uns die Zeit (German Edition)
durch ein paar Geschäfte und essen anschließend in einer kleinen Sushibar zu Mittag. Um zwei Uhr nachmittags– dem Moment, in dem sich der Unfall ereignete– befinden wir uns an einem Ort, an dem man unmöglich von einem Auto angefahren werden kann: im dritten Stock des Chicago Art Institute.
Gegen sechs fahren wir mit der El wieder zurück nach Evanston und beschließen spontan, ins Kino zu gehen und uns einfach den nächsten Film anzuschauen, der gerade läuft. Wie es die Ironie des Schicksals will, ist es ausgerechnet » Während du schliefst«, eine romantische Komödie über einen Mann, der auf die Gleise der El stürzt und danach in ein einwöchiges Koma fällt.
Als Bennett Emma und Justin nach Hause gebracht hat und in unsere Einfahrt fährt, ist es zehn Uhr abends. Zwei Stunden später als nach unserem Ausflug in der ersten Version dieses Samstags. Unser Plan ist aufgegangen. Aber aus irgendeinem Grund traue ich dem Ganzen noch nicht wirklich und habe die absurde Angst, meine Eltern könnten mir, wenn ich gleich reinkomme, erzählen, dass Justin einen Unfall hatte. » Kommst du noch kurz mit rein?«, bitte ich Bennett.
Er lächelt verständnisvoll. » Klar.«
Als ich die Tür aufschließe und im Wohnzimmer den Fernseher laufen höre, atme ich erleichtert aus. Meine Eltern kuscheln gemütlich auf der Couch und schauen irgendeine Quizshow.
Als die beiden aufblicken und Bennett hinter mir sehen, stößt meine Mutter meinen Vater verstohlen in die Seite und grinst. » Hey, ihr beiden. Da seid ihr ja wieder«, begrüßt Dad uns.
» Ich habe gehört, dass du am Dienstag zu uns zum Abendessen kommst, Bennett.« Mom lächelt. » Wir holen dich auch gern zu Hause ab, nur um ganz sicherzugehen, dass du wohlbehalten bei uns ankommst. Diese modernen Jeeps sollen ja so ihre Tücken haben, wie man hört.«
» Du hast gepetzt, Dad!« Ich werfe meinem Vater einen vorwurfsvollen Blick zu, muss dann aber selbst lachen.
Bennett streicht sich verlegen die Haare hinter die Ohren. » Ich fürchte, ich habe nicht gerade den allerbesten ersten Eindruck bei Ihnen hinterlassen.«
» Mach dir nichts draus, das hätte jedem passieren können«, winkt Dad lachend ab. » Jetzt haben wir wenigstens etwas, womit wir dich dein Leben lang aufziehen können. Und glaub mir, das werden wir!«
Bennett lächelt und wirkt auf einmal total entspannt und glücklich. Vielleicht spürt er endlich auch, was ich schon morgens um 8:08 Uhr gespürt habe: Unser Neustart war ein voller Erfolg– Justin und Emma sind sicher und unverletzt zu Hause angekommen. Und Bennetts Fähigkeiten reichen viel weiter, als er gedacht hätte.
25
» Ich habe etwas unglaublich Spannendes erleben dürfen!«, verkündet Señor Argotta in seiner unnachahmlich überschwänglichen Art, als endlich alle an ihren Plätzen sitzen und Ruhe in der Klasse eingekehrt ist. Bennett und ich sehen uns grinsend an. Ich weiß ja nicht, was Argotta so unglaublich Spannendes erlebt hat, bin mir aber sicher, dass es unsere Erfahrung nicht toppen kann.
» Ich hatte die einzigartige Gelegenheit– wenn auch nur im Geiste–, auf zwanzig unterschiedlichen Routen durch Mexiko zu reisen und dabei völlig neue Facetten des Landes kennenzulernen. Sie alle haben fantastische Arbeit geleistet!« Die Klasse sieht ihn gespannt an, als er durch die Reihen geht. » Drei Touren waren dabei«, fährt er fort, » die mir ganz besonders gut gefallen haben. Ich möchte Sie Ihnen heute vorstellen, werde allerdings erst am Schluss bekanntgeben, wer von Ihnen mit diesem…«, er greift in die Tasche seines Jacketts und zieht einen gefalteten Zettel heraus, » …Reisegutschein im Wert von fünfhundert Dollar nach Hause gehen darf.« Er befestigt ihn mit einem Magneten am Whiteboard.
Ich drehe mich noch einmal verstohlen zu Bennett um und lächle. Anfangs habe ich noch gezögert, als er mir vorschlug, zusammen an unseren Wettbewerbsbeiträgen zu arbeiten, weil ich dachte, es wäre den anderen gegenüber unfair. Aber dann tauchte er am Tag nach unserem erfolgreichen Ausflug in die Vergangenheit mittags mit zwei großen Bechern Milchkaffee in den Händen und einem strahlenden Lächeln im Laden auf und ich konnte seinem Charme nicht widerstehen. Wir machten es uns in der Abteilung für Reiseführer auf dem Boden bequem, legten einen Stapel Bücher über Mexiko zwischen uns und lasen uns abwechselnd die schönsten Beschreibungen vor. Schon vier Stunden später hatten wir die Pläne für zwei Rundreisen
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