Zwoelf Rosen fuer ein Herz
Countrylook hatten sie wahrgenommen!
Trotzdem war meine Laune auf dem absteigenden Ast. Das konnten auch die Begeisterungsschreie meiner Mutter nicht mehr ändern, die sie bei meinem Anblick ausstieÃ. War ja schön, dass ihr die neuen Sachen und mein Make-up gefielen, aber musste sie darüber dermaÃen austicken? Halloo! Ich hatte immerhin auch einen Praktikumsplatz, aber das war offenbar längst nicht so toll wie meine Streifenbluse und die Wimperntusche ⦠Den Praktikumsplatz fand sie dann zwar auch gut, als ich endlich dazu kam, ihr davon zu erzählen, aber über die Prioritäten meiner Mutter kann man sich schon wundern.
Am Abend hockte ich in meinem schlabbrigsten Schlaf-T-Shirt wieder in meinem Sitzsack und grübelte. Die Rosen waren ein Stück aufgegangen und sahen noch prächtiger aus.
Auch entströmte den sich nun öffnenden Blüten ein wundervoller Duft. Sie wurden immer schöner. Aber ich? Ich war immer noch ich, da konnte auch Wimperntusche nicht helfen. Und meine war auÃerdem eh längst abgeduscht.
Und in der Rosenfrage war ich keinen Schritt weiter. Wer schenkt mir solche Rosen? Bin ich wirklich eine Rosen-geschenkt-kriege-Frau? Ich bin doch Annette, die Fette, die sich im Kleiderladen vorkommt wie Falschgeld. Annette, die sich ohne ihre energische Freundin Pia nie von einer Make-up-Lady im Kaufhaus hätte schminken lassen. Annette, die ohne ihren Papa wohl immer noch nicht bei der Anwaltskanzlei angerufen hätte. Annette, die Schlüsselvergesserin. Und natürlich Annette, der angesichts des Tussentrios gute Sprüche immer viel zu spät einfallen. Und am schlimmsten: Ich bin immer noch Annette, die in genau den Jungen verliebt ist, dem die wunderschöne Nina Herzen auf Klotüren malt.
Mitten in diesen schwarzen Gedanken fiel mein Blick auf die neuen Kleider, die über einem Stuhl lagen. Ich hatte im Hochgefühl des zugesagten Praktikumsplatzes überlegt, alles morgen zur Schule anzuziehen, aber das war jetzt vom Tisch. So niedergeschlagen, wie ich mich fühlte, musste ich mich morgen unbedingt in meinen groÃen, ollen Sachen verstecken. Und so blieb mir zum Abschluss dieses Tages nur noch eins: noch mal zum Poesiealbum von Pias GroÃmutter greifen und eine Runde Poesie-Roulette spielen. Augen zu, blättern, Augen auf. Mein Finger zeigte auf folgenden Spruch:
Rosen, Tulpen, Nelken,
alle Blumen welken.
Nur die eine nicht,
die heiÃt Vergissmeinnicht.
So ein Schwachsinn. Ich musste unbedingt aufhören, in diesem Poesiealbum zu lesen! Weg damit in die hinterste Ecke!
Aber zu spät. Denn als ich dann im Bett lag, ging mir der Schwachsinn nicht mehr aus dem Kopf: Vergissmeinnicht ⦠blaue Blümlein ⦠so blau wie ⦠wie die Augen von Dominik. Ach ⦠Und spätestens da konnte ich mich einfach nicht mehr wehren, sondern malte mir ganz hemmungslos aus, wie ich mit Dominik und dem Golden Retriever aus dem Park über eine Sommerwiese laufe und wir uns an den Händen fassen - ich und Dominik, nicht ich und der Hund - und dann im warmen Gras liegen und uns tief in die Augen sehen - äh, auch jetzt nicht der Hund -, die ja bei ihm - also Dominik - so blau sind wie besagte Vergissmeinnicht ⦠Kitschalarm, ich weiÃ, ich weià ⦠seufz. Aber eben auch wunderschön .
Am nächsten Morgen genoss ich zwei ganze Snooze-Phasen - dreimal darf man raten, woran ich dabei dachte - und ich begann mich zu wundern, warum meine Mutter mich noch nicht aus dem Bett gescheucht hatte. Als ich endlich aufgestanden war, wurde mir klar, warum. Sie war schon weg und hatte mir einen Zettel hingelegt: »Hallo SüÃe! Hab schon früh einen Termin im Salon. Gratuliere noch mal zum Praktikumsplatz! Bin stolz auf dich! Mama.« Das war ja mal nett zu lesen! Der Hammer kam dann ganz unten auf dem Zettel: »PS. Deine Kleider aus der Tüte hab ich in die Wäsche getan, die waren ja völlig verschlammt.« Ich erstarrte. Und hörte das rhythmische Summen unserer Waschmaschine. Neiiiiiiiiiin!
Doch es war wie befürchtet: Alle im Haus befindliche dunkle Wäsche drehte sich bei 40 Grad im Fleckenprogramm. Und das bedeutete: alle meine Hosen. Und die Oberteile. Und meine Jacke. Das Einzige, was ich jetzt noch zum Anziehen hatte, waren die neuen Sachen!
Mal wieder Gelegenheit, meine Optionen durchzugehen.
a. Ich bleibe zu Hause und stelle mich krank, bis die Wäsche gewaschen und getrocknet ist. -
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