Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
sie seine Neugier gereizt; er wollte wissen, wodurch sie anders war. Also beschloß er, einen Versuch zu wagen.
Und nun führte der mächtige heilige Mann sie alle zurück zu ihren Anfängen - die neun Männer, deren Geist dem seinen gleich war und die ihm bereitwillig folgten, und - getrennt von ihnen - die junge Frau, deren Geist dem seinen zwar ähnlich war, aber doch auch anders.
Und wieder schmeckte Ayla den wilden urtümlichen Wald, spürte, wie es auf der Zunge und auf der Haut und in der Nase anders wurde, warm und pelzig. Ihr war das nicht so klar wie den anderen - ihr war dies alles neu, dieses Gefühl, in der Morgenröte des Lebens zu stehen. Ihre Erinnerungen daran waren unbewußt und verschwommen. Doch die Anfänge waren die gleichen, spürte der Große Mog-ur. Sie fühlte das Einssein ihrer eigenen Körperteilchen und spürte es, als sie sich in den warmen, nährenden Wassern teilten und auseinanderentwickelten. Sie wuchsen und teilten sich und wandelten sich, und Bewegung bekam Sinn. Wieder eine Wandlung, und sachte pulsendes Leben erhärtete sich, gab Form und Gestalt.
Wieder eine Wandlung, und sie erfuhr den Schmerz des ersten Atemzugs in einem neuen luftigen Element. Und noch eine Wandlung, und sie fühlte saftige, lehmige Erde und sah das Grün junger Bäume und gewaltige Ungeheuer, vor denen man sich vergraben musste. Und dann wandelte sie sich selbst in Hitze und Trockenheit und Dürre, die sie zurücktrieben an den Rand des Wassers, bis zu den Spuren eines fehlenden Glieds, das sich im Wasser verlor, das ihre Gestalt vergrößerte und ihr ihren Pelz nahm und ihren Umriß veränderte und Verwandte zurückließ, die zu einer früheren Form zurückkehrten, aber dennoch Luft atmeten und mit Milch gesäugt wurden.
Und dann ging sie aufrecht auf zwei hinteren Beinen, und die vorderen konnte sie als Werkzeug gebrauchen, und ihre Augen sahen einen ferneren Horizont, und in ihrem Kopf bildete das Hirn sich weiter aus. Sie war dabei, sich vom Mog-ur zu trennen, schlug einen anderen Weg ein; und doch liefen die Pfade nicht so weit auseinander, als dass er dem ihren nicht mit dem seinen, der beinahe gleichlaufend führte, auf der Spur bleiben konnte. Jetzt brach er die Verbindung mit den anderen Erdlingen ab. Sie konnten ihren Weg auch ohne ihn fortsetzen.
Nur diese beiden blieben verbunden, der alte Zauberer, der zum Groß-Clan gehörte, und die junge Frau, die eine von den Fremdlingen war. Creb führte jetzt nicht mehr, doch er folgte ihrer Spur, und sie folgte der seinen. Sie sah, wie warmes Land von Eis überzogen wurde, von einem Eis, das noch dicker und kälter war als das Eis ihrer eigenen Zeit. Es war ein Land, das weit, weit entfernt war, tief im Gebiet nach Sonnenuntergang, nicht fern von den weiten Wassern, die unendlich viel größer waren als das Wasser, das ihr Halbinselland umschloß.
Sie sah eine Höhle, die Bleibe eines Ahn- Elters des Großen Mog- urs, eines Vorfahren also, der aussah wie er. Es war ein nebelhaftes Bild, über die Kluft hinweg erspäht, die ihre Arten voneinander trennte. Die Höhle befand sich in einer steilen Wand, zu deren Füßen ein Fluss rauschte und eine weite Ebene sich dehnte. Hoch oben auf dem Fels erhob sich deutlich sichtbar eine Felsnadel; eine lange, leicht abgeflachte Säule, die über den Abgrund geneigt war, als wäre sie im Umsturz erstarrt. Der Stein war von einem anderen Ort, aus anderem Gestein als der Fels. Tobende Wasser und die sich immer weiter umschichtende Erde hatten ihn dort auf den Fels gepflanzt, in dem die Höhle sich befand. Das Bild verschwamm, doch die Erinnerung blieb bei ihr.
Einen Herzschlag lang fühlte sie überwältigenden Schmerz. Dann war sie allein. Der Mog- ur konnte ihr nicht mehr folgen. Sie fand ihren eigenen Weg zurück zu sich selbst und dann ein wenig weiter, noch über sich selbst hinaus. Flüchtig erhaschte sie noch einmal einen Blick auf die Höhle, dann folgten rasch aufeinander verwirrende Bilder von Landschaften, die nicht das Vielfältige der Natur darstellten, sondern Starrheit oder Gleichmaß. Hohe, kantige Gebilde aus gegossenem Stein ragten aus der Erde auf, und lange, gleichmäßig geschnittene Bänder durchzogen das Land, auf denen glänzend bunte Tiere mit großer Schnelligkeit dahinjagten. Riesige Donnervögel schwebten ohne Flügelschlag unter dem Himmel. Dann neue Bilder, so befremdlich, dass sie Ayla nicht erfassen konnte. In ihrem hastigen Bemühen, das Gegenwärtige zu erreichen, schoß sie doch etwas
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