Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
schien, als fehlte keiner. Kaum einer war verletzt. Manche hatten Schrammen und Kratzer. Das Beben der Erde war noch glimpflich abgegangen.
"Wo ist Ayla?" fragte Uba angsterfüllt.
"Hier", rief die junge Frau, die eben den Hang herunterrutschte.
"Ma-Ma!" schrie Durc und riß sich von Uba los.
Ayla rannte ihm entgegen, schloß ihn fest in ihre Arme und trug ihn zurück zu den anderen.
"Bist du verletzt, Uba?" fragte sie besorgt.
"Nein, nein, nichts Schlimmes."
"Und wo ist Creb?" Da fiel es Ayla wieder ein. Hastig drückte sie ihren Sohn Uba in die Arme und flog schon wieder den Hang hinauf.
"Ayla! Wo willst du hin? Geh nicht in die Höhle! Es kann von neuem kommen!"
Doch Ayla sah die Warnung nicht und hätte ihrer auch nicht geachtet. Sie stürzte in die Höhle und rannte zu Crebs Feuerstätte. Noch immer rutschte Geröll nach, und Steine und Staub flössen aus armdicken Rissen aus den Felswänden und von der Decke herab. Crebs Feuerstätte hatte kaum Schaden genommen, doch er selbst war nicht dort. Ayla hastete um große Felsbrocken herum von Wohnkreis zu Wohnkreis. Manche waren gänzlich zerstört, bei anderen schien noch einiges zu retten. Creb war nirgends. An dem schmalen Spalt, der in die Zauberstätte führte, zögerte sie. Dann ging sie hinein. Doch man sah nichts. Ein Kienspan wäre nötig. Doch vorher wollte sie noch hinten in der Höhle suchen.
Ein dünner Regen staubiger Kiesel rieselte auf Ayla herab, und schnell sprang sie zur Seite. Zackige Felsbrocken sausten herunter, bohrten sich neben Ayla in den Boden. Sie suchte in den Nischen der Wände, lief tastend durch den Raum und spähte in die tiefen Schatten hinter Vorratsgefäßen und Felsbrocken.
Sie fand Creb neben Izas Grab. Er lag seitlich da, die Beine angezogen. Ein schwerer Felsen hatte sein weißes Haup zermalmt. Ayla schrie auf und kniete neben ihm nieder, und ihre Augen begannen überzufließen.
"Creb, ach Creb. Warum bist du in die Höhle gegangen?" fragten ihre Hände und klagten. Auf ihren Knien wiegte sie sich und rief immer wieder seinen Namen. Dann stand sie auf. Tränen rannen ihr über das Gesicht und machten sie blind, als Ayla in der zerstörten Höhle stand und den Tod des alten Zauberers beklagte, der ihr wie ein Vater gewesen war.
"Er ist tot", bedeutete Ayla, als sie aus der Höhle trat.
Broud starrte sie so fassungslos an wie die anderen, und ihn packte dann eine tiefe Furcht. Sie war es doch gewesen, die die Höhle entdeckte; sie war es doch gewesen, die das Wohlwollen der Geister besessen hatte. Und als er sie verfluchte, hatten die Geister die Erde erzittern lassen und die Höhle zerstört. Zürnten sie ihm dafür, dass er ihre Verfluchung befohlen hatte? Was würde geschehen, wenn der Clan vermeinte, dass er dieses Unglück heraufbeschworen hatte? Bis ins Innerste erzitterte er angesichts dieses bösen Vorzeichens und bebte vor dem Zorn der Geister, den er entfacht hatte. Er wollte nicht der Schuldige sein. Und wälzte die Schuld auf Ayla, als könnte er dadurch den Unmut der Clan-Leute und den Zorn der Geister von sich abwenden.
"Sie hat es getan! Ihre Schuld ist es!" zeigte er mit heftiger Hand auf Ayla. "Sie hat die Geister erzürnt. Sie hat sich gegen Brauch und Überlieferung gestellt. Ihr alle habt es gesehen. Sie war aufsässig und mißachtete den Clan-Führer. Dafür muß sie verflucht werden. Dann erst wird uns die Gunst der Geister wieder gehören. Dann erst werden sie uns wieder zu einer neuen Höhle führen, die noch besser ist. Ja, das werden sie tun. Ich weiß es. Verfluche sie, Goov! Verfluche sie zum Tode! Jetzt, auf der Stelle!"
Die Köpfe aller wandten sich zu Brun. Doch der blickte noch immer stur vor sich hin, das Gesicht verschlossen, die Fäuste geballt. Er wollte nichts tun, er wollte nicht eingreifen, so viel Kraft es ihn auch kostete, sich da rauszuhalten. Unsicher blickten die Clan-Leute einander an. Dann wanderten ihre Blicke zu Goov und schließlich zu Broud. Goovs Augen konnten nicht glauben und sahen fragend zu Broud. Wie konnte er Ayla die Schuld geben? Wenn jemand schuldig war, dann Broud.
"Ich bin der Clan-Führer, Goov. Du bist der Mog- ur. Ich befehle dir, sie zu verfluchen. Verfluche sie zum Tode."
Langsam, als müßte er seine Füße aus dem Boden reißen, wandte Goov sich ab. Von dem Feuer, das man angezündet hatte, als Ayla noch in der Höhle war, nahm er einen harzigen Fichtenzweig, stieg langsam den Hang hinauf und trat durch den halbverschütteten Eingang in die Höhle. Vorsichtig
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