Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
selbst wenn sie nur so zum Vergnügen dahinritt, ließ Ayla unwillkürlich nach ihrer Schleuder greifen und weckte in ihr den Wunsch, das Tier zu verfolgen. Winnie hatte diesen Wunsch rasch übersetzt, und ihr erster Schritt in diese Richtung führte letztlich dazu, daß die Frau – wenn auch unbewußt – das Tier beherrschte. Ayla selbst wurde sich dessen erst bewußt, als sie einen Riesenhamster erlegte.
Es war noch Vorfrühling. Sie hatten das Tier unabsichtlich aufgescheucht, doch in dem Augenblick, da Ayla es davonlaufen sah, neigte sie sich in seine Richtung – und während sie nach ihrer Schleuder griff, sprengte Winnie hinter dem flüchtenden Tier her. Als sie es fast eingeholt hatten, brachte die Verlagerung ihres Körpergewichts, die sich mit dem Gedanken ans Absitzen einstellte, das Pferd dazu, rechtzeitig stehenzubleiben, so daß sie sich hinunterrutschen lassen und einen Stein schleudern konnte.
Wie schön, heute abend einmal frisches Fleisch zu haben, dachte sie, als sie mit ihrer Beute zu dem wartenden Pferd zurückkehrte. Ich sollte mehr auf die Jagd gehen, nur hat es soviel Spaß gebracht, Winnie zu reiten …
Ich habe Winnie geritten! Winnie ist hinter dem Hamster hergehetzt. Und ist stehengeblieben, als ich wollte, daß sie es tat. Ayla dachte zurück an den ersten Tag, da sie dem Pferd auf den Rücken gestiegen und ihm die Arme um den Hals geschlungen hatte, um nicht herunterzufallen. Jetzt hatte Winnie den Kopf gesenkt, um an einem Büschel frischen jungen Grases zu knabbern.
»Winnie!« rief Ayla. Das Pferd hob den Kopf und stellte erwartungsvoll die Ohren vor. Die junge Frau war wie vor den Kopf geschlagen, wußte nicht, wie sie sich das alles erklären sollte. Schon der Gedanke, das Pferd reiten zu wollen, war überwältigend gewesen; daß jedoch das Pferd auch noch dorthin gehen würde, wo sie wollte, war schwer zu verstehen – das zu verstehen war schwieriger, als der Prozeß des Lernens für sie beide es gewesen war.
Das Pferd kam zu ihr. »Ach, Winnie!« sagte sie nochmals, wobei sie von Schluchzen geschüttelt wurde und doch nicht wußte, warum, als sie dem Pferd die Arme um den Hals schlang. Winnie schnaubte durch ihre Nüstern und bog den Hals, so daß sie der Frau über die Schulter lehnte.
Als Ayla sich anschickte, das Pferd zu besteigen, kam sie sich ziemlich ungeschickt vor. Der Hamster war hinderlich. Sie ging zu einem Felsblock, obwohl sie schon längst keinen mehr brauchte, und dachte darüber nach; sie wußte, daß sie früher einfach aufgesprungen und die Beine gespreizt hatte. Nach einiger anfänglicher Verwirrung machte Winnie sich auf den Rückweg zur Höhle. Sobald Ayla bewußt versuchte, das Füllen zu beherrschen, verloren ihre Signale ein wenig von ihrer Entschiedenheit, und mit Winnies Reaktionen ging es ebenso. Ayla wußte einfach nicht, wie sie das Pferd gelenkt hatte.
Ayla lernte, sich wieder auf ihre Reflexe zu verlassen, nachdem sie entdeckt hatte, daß Winnie besser reagierte, wenn sie ganz entspannt war; gleichzeitig entwickelte sie dabei jedoch eine Reihe ganz zweckgerichteter Signale. Als es wärmer wurde, ging sie mehr auf die Jagd. Zuerst hielt sie das Pferd an und glitt von seinem Rücken herunter, um ihre Schleuder zu gebrauchen, doch dauerte es nicht lange, und sie versuchte es vom Pferderücken aus. Traf sie ihr Ziel nicht, war das für sie nur um so mehr Grund zu üben – das war eine neue Herausforderung. Anfangs hatte sie den Umgang mit ihrer Waffe ausschließlich durch Üben erworben. Damals war es ein Spiel gewesen, und sie hatte niemand gehabt, an den sie sich mit der Bitte um Unterweisung hätte wenden können, denn eigentlich durfte sie ja nicht jagen. Und nachdem ein Luchs sie nach dem Abschuß ihres Steins praktisch unbewaffnet gefunden hatte, hatte sie es gelernt, in sehr schneller Folge zwei Steine nacheinander abzuschießen, und in dieser Technik hatte sie sich vervollkommnet.
Inzwischen war es lange her, daß sie mit ihrer Schleuder hatte üben müssen; auch diesmal war es wieder ein Spiel, das allerdings nicht weniger ernst war, bloß weil es Spaß machte. Freilich hatte sie es ja bereits zu beträchtlicher Fertigkeit im Steine-Schleudern gebracht, daß es nicht lange dauerte und sie vom Rücken ihres Pferdes aus nicht minder zielgenau damit umgehen konnte, als wenn sie auf ihren eigenen beiden Beinen gestanden hätte. Doch selbst, als sie noch zu Pferde einem flinkfüßigen flüchtenden Hasen hinterherjagte, begriff die junge
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