Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
lenkte Baby nicht so, wie sie Winnie gelenkt hatte – sie ging dorthin, wohin er sie trug, und tat das mit Freuden. Sie war von einer Beschwingtheit, wie sie sie nie zuvor erlebt hatte.
Der rasche Geschwindigkeitsausbruch war nur von kurzer Dauer, nicht anders als beim Angriff Baby verlangsamte, schlug einen weiten Bogen und lief weiter in Richtung Höhle. Die Frau immer noch auf dem Rücken, trabte er den steilen Pfad hinauf und blieb an ihrem Platz in der Höhle stehen. Sie glitt hinunter und schloß ihn in die Arme; sie kannte keine andere Art, jenen Gefühlsüberschwang auszudrücken, der sie erfüllte. Als sie ihn schließlich losließ, peitschte er mit dem Schwanz und begab sich in den Hintergrund der Höhle. Er fand seinen Lieblingsplatz, streckte sich aus und war bald eingeschlafen.
Lächelnd beobachtete sie ihn. Du hast mich auf deinem Rücken reiten lassen, und das war’s für den Tag, nicht wahr, Baby? Ach, Baby, jetzt kannst du von mir aus schlafen, solange du willst.
Gegen Ende des Sommers dehnte Baby seine Jagdausflüge immer weiter aus. Als er das erste Mal über einen Tag lang fortblieb, war Ayla außer sich vor Kummer und machte sich so viel Sorgen, daß sie auch in der zweiten Nacht kein Auge zutat. Als er am nächsten Morgen erschien, war sie so zerschlagen und kaputt, wie er aussah. Er kam ohne Beute, und als sie ihm Trockenfleisch aus ihrem Vorrat gab, hieb er sofort ein, obwohl er für gewöhnlich erst mit den spröden Fleischbatzen herumspielte. So müde sie war, sie ging mit ihrer Schleuder hinaus und brachte zwei Hasen zurück. Er wachte aus dem Schlaf der Erschöpfung auf, lief auf den Höhleneingang zu, um sie zu begrüßen, und trug dann einen der Hasen in den Höhlenhintergrund. Den anderen legte sie weg und begab sich dann noch einmal auf ihr Lager.
Als er einmal drei Tage hintereinander wegblieb, machte sie sich längst nicht mehr soviel Sorgen – nun wurde ihr das Herz schwer und schwerer, als die leeren Tage vorübergingen. Er kehrte mit klaffenden Wunden und Kratzern zurück, und da wußte sie, daß er sich mit anderen Löwen herumgeschlagen hatte. Sie vermutete, daß er jetzt reif genug war, um sich der Anwesenheit von Löwinnen bewußt zu sein. Anders als Pferde, kannten Löwinnen keine besondere Brunstzeit; sie konnten jederzeit brünstig werden.
Das lange Fernbleiben des jungen Höhlenlöwen häufte sich gegen Herbst, und wenn er überhaupt nach Hause kam, dann eigentlich nur, um zu schlafen. Ayla war sich sicher, daß er auch woanders schlief, dort offensichtlich aber nicht das gleiche Geborgenheitsgefühl hatte wie hier in der Höhle. Ayla hatte keine Ahnung, wann und aus welcher Richtung sie ihn erwarten sollte. Er tauchte einfach irgendwann wieder auf, kam entweder den Pfad heraufgetrabt oder sprang – wobei die Überraschung größer war – von der Steppe oberhalb ihrer Höhle auf den Sims herunter.
Sie war stets froh, ihn zu sehen, und die Art, wie er sie begrüßte, hatte immer etwas Liebevolles – manchmal war es sogar ein wenig zu liebevoll. Wenn er sich auf den Hinterbeinen aufrichtete, um ihr die Vorderläufe auf die Schulter zu legen und sie dadurch zu Fall zu bringen, beeilte sie sich, ihm die »Aufhörens«-Gebärde zu machen, wenn er etwas allzu ungestüm in seiner Wiedersehensfreude war.
Für gewöhnlich blieb er danach ein paar Tage; manchmal gingen sie dann gemeinsam auf die Jagd. Außerdem schleppte er hin und wieder immer noch ein Beutestück in die Höhle. Doch dann packte ihn wieder die Unruhe. Ayla war überzeugt, daß Baby für sich allein jagte und seine Beute Hyänen, Wölfen oder Aasgeiern gegenüber verteidigte, die sie ihm sonst stehlen würden. Sie machte die Erfahrung, daß er – hatte er erst einmal angefangen, unruhig auf- und abzulaufen – kurz darauf fortging. War er fort, kam ihr die Höhle dermaßen leer vor, daß sie anfing, sich vor dem näherrückenden Winter zu fürchten, denn sie hatte Angst, es würde ein einsamer Winter werden.
Der Herbst fiel ungewöhnlich aus – warm und trocken. Die Blätter färbten sich gelb und wurden gleich darauf braun, übersprangen also die leuchtenden Farbtöne, die ein kurzer Frost zur Folge haben kann. Vertrocknet und glanzlos hingen sie büschelweise noch an den Bäumen und raschelten immer noch in den Zweigen, als sie normalerweise längst auf dem Boden hätten liegen sollen. Die besondere Witterung machte nervös – ein Herbst sollte naß und kühl sein, voll von plötzlichen
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