Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
der er sie zurückgelassen hatte. Vertrautes Knurren verriet Ayla, daß er sich anschickte zu fressen.
Als das stoßweise hervorschießende Blut zum Stillstand gekommen war und nur noch wenig heraussickerte, pfiff sie Winnie und sprang dann hinunter, um das Zuggestell zu bauen. Winnie war jetzt viel nervöser als zuvor, woraufhin Ayla wieder einfiel, daß Baby ja eine Gefährtin hatte. Sie klopfte und streichelte das Pferd, um es zu beruhigen, untersuchte die kräftige Matte, die zwischen den beiden Schäften hinter dem Pferd hergezogen wurde, und meinte, sie müsse das Gewicht des Mannes mit dem gelben Haar tragen könne. Was sie jedoch mit dem anderen machen sollte, wußte sie nicht. Sie wußte nur, daß sie ihn nicht für die Löwen liegenlassen konnte.
Als sie wieder hinaufkletterte, fiel ihr auf, daß das Geröll an der Hinterseite der Schlucht einen sehr unsicheren Eindruck machte – viel hatte sich hinter einem größeren Felsblock aufgetürmt, der selber nicht allzu sicher zu liegen schien. Plötzlich mußte sie an Izas Bestattung denken. Die alte Medizinfrau war behutsam in eine flache Mulde auf dem Höhlenboden gebettet worden; dann hatte man Steine und größere Gesteinsbrocken auf sie gehäuft. Das gab für Ayla den Anstoß. Sie schleifte den Toten ganz bis ans hintere Ende der Schlucht, wo die Halde mit dem lockeren Geröll herunterkam.
Baby ließ sich wieder blicken, um nachzusehen, was sie tat; sein Maul war noch blutig von der Hirschkuh. Er folgte ihr zurück zu dem anderen Mann und beschnüffelte ihn, während Ayla ihn an den Rand des Felsens schleppte, zu dessen Füßen die nervöse Stute mit dem Zuggestell wartete.
»Geht jetzt aus dem Weg, Baby!«
Als sie sich bemühte, den Mann auf die Tragematte des Zuggestells niederzulassen, zuckten seine Augenlider und er stöhnte vor Schmerzen auf, doch dann gingen seine Augen wieder zu. Sie war ebenso froh, daß er bewußtlos war. Er war schwer, und daß sie ihn trug und schob, konnte ihm Schmerzen bereiten. Als sie es endlich geschafft hatte, ihn auf die Tragematte zu legen, kehrte sie mit einem langen, kräftigen Speer bewaffnet noch einmal zu dem Felssims zurück und begab sich an die Rückseite der Schlucht. Sie betrachtete den Toten; sie bedauerte, daß er tot war. Dann lehnte sie den Speer an den Felsblock und wandte sich mit der lautlos-formalen Gebärdensprache des Clans an die Welt der Geister.
Sie hatte verfolgt, wie Creb, der alte Mog-ur, Izas Geist mit fließenden und beredten Bewegungen der nächsten Welt überantwortet hatte. Die gleichen Bewegungen hatte sie vollführt, nachdem sie Crebs Leichnam nach dem Erdbeben in der Höhle aufgefunden hatte, obwohl sie die ganze Bedeutung der heiligen Gebärden nie ganz begriffen hatte. Doch das war nicht von Belang – sie wußte, was damit gemeint war. Erinnerungen überfielen sie, und Tränen traten ihr in die Augen, als sie das schöne schweigende Ritual für den unbekannten Fremden vollzog und ihn auf den Weg in die Geisterwelt brachte.
Danach benutzte sie den Speer als Hebel, genauso, wie sie einen Grabstock benutzt hätte, um einen Baumstamm umzudrehen oder eine Wurzel auszugraben – das heißt, sie lockerte den großen Stein und sprang aus dem Weg, als eine Lawine losen Gerölls sich über den Toten ergoß.
Noch ehe der Staub sich gelegt hatte, führte sie Winnie zur Schlucht hinaus. Ayla setzte sich auf den Rücken des Pferdes und begann den langen Rückweg zur Höhle. Unterwegs hielt sie ein paarmal an, um sich um den Verletzten zu kümmern, und einmal auch, um frischen Beinwurz auszugraben; dabei war sie hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, so schnell wie möglich heimzukommen, und dem Bedürfnis, auch auf Winnie ein wenig Rücksicht zu nehmen. Sie atmete leichter, als es ihr gelungen war, den Verwundeten über den Fluß hinüberzubringen, und sie die vorspringende Felswand in der Ferne vor sich sah. Doch erst als sie innehielt, um die Lage der Schäfte des Zuggestells zu verändern, bevor es den schmalen Pfad hinaufging, glaubte sie, daß sie die Höhle erreichen und der Mann noch am Leben sein würde.
Sie führte Winnie samt Zuggestell in die Höhle hinein, entfachte ein Feuer und bereitete alles zum Erhitzen von Wasser vor, ehe sie den Bewußtlosen losband und ihn auf ihre Lagerstatt legte. Sie schirrte das Pferd aus, drückte es dankbar, ging dann ihren Vorrat an Heilkräutern durch, wählte drei aus, die sie verwenden wollte. Ehe sie mit der Zubereitung begann, holte sie tief Atem
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