Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
sorgte; schließlich tat sie es unaufdringlich und mit sehr viel Anmut. Er brauchte nie um etwas zu bitten, sie kam seinen Wünschen einfach zuvor. Der kleine Birkenzweig war ein gutes Beispiel dafür. Offensichtlich war sie vor ihm wach gewesen, hinausgegangen, einen zu holen, hatte ihn von der Rinde befreit und ihn für ihn zurechtgelegt. Wann hatte sie damit angefangen? Er entsann sich: als er es zum ersten Mal den Pfad hinunter geschafft hatte, hatte er sich selbst einen gebrochen. Am nächsten Morgen hatte ein Zweig neben seinem Becher gelegen, und er war sehr dankbar gewesen. Er hatte damals noch Schwierigkeiten mit dem steilen Pfad gehabt.
Und der heiße Tee. Gleichgültig, um welche Zeit er aufwachte, der Tee stand bereit. Woher wußte sie, wann sie das Wasser aufzusetzen hatte? Als sie ihm morgens das erste Mal Tee gebracht hatte, war ihm wohl anzumerken gewesen, wie sehr er das zu schätzen wußte. Doch wann hatte er ihr das letztemal gedankt? Und wie viele andere Gefälligkeiten hatte sie ihm auf so unaufdringliche Weise erwiesen? Nie macht sie irgendwelches Gehabe darum. Marthona ist so, dachte er; sie versteht es, ihre Gaben und ihre Zeit so anmutig herzugeben, daß niemand sich je verpflichtet fühlt. Wann immer er sich zu helfen erbot, schien Ayla überrascht, war aber gleichwohl so dankbar – als ob sie wirklich keinerlei Gegenleistungen für all das erwartete, was sie für ihn getan hatte.
»Ich habe ihr weniger denn nichts gegeben«, sagte er laut. »Und selbst nach dem, was gestern …« Er hielt den kleinen Zweig hoch, zwirbelte ihn zwischen den Fingern hin und her und schnippte ihn über den Rand des Simses.
Er sah Winnie und das Füllen unten auf der Weide in einem weiten Kreis hintereinander herjagen; sie waren ausgelassen, und er verspürte eine gewisse Erregung angesichts der dahinjagenden Pferde. »Schau nur, was für Beine es macht. Dieses Hengstfohlen kann wirklich laufen! Ich glaube, auf einer kurzen Strecke würde es seine Mutter weit abhängen.«
»Das tun Junghengste auf kurzer Strecke oft, aber auf längeren Strecken halten sie noch nicht durch«, sagte Ayla, die eben oben am Pfad auftauchte.
Jondalar fuhr herum; seine Augen leuchteten und sein Lächeln war erfüllt von Stolz auf das Hengstfohlen. Seiner Begeisterung konnte man kaum widerstehen, und so lächelte sie trotz aller Befürchtungen. Sie hatte gehofft, daß der Mann Zuneigung zu dem jungen Pferd entwickeln würde – nicht, daß das noch eine Rolle spielte.
»Ich hatte mich schon gewundert, wo du warst«, sagte er. Ihre
Gegenwart machte ihn verlegen, und sein Lächeln schwand. »Ich habe in der Grube draußen ein Feuer für die
Moorhühner gemacht und bin gerade hin, um nachzusehen,
was sie machen.« Er scheint nicht sonderlich glücklich, mich zu
sehen, dachte sie und wandte sich ab, um in die Höhle zu gehen.
Auch ihr Lächeln schwand.
»Ayla!« rief er und eilte hinter ihr her. Als sie sich daraufhin
umdrehte, wußte er nicht, was er sagen sollte. »Ich … hm … ich
wollte gern wissen … hm … ich würde gern ein paar Werkzeuge
machen. Wenn du nichts dagegen hast, selbstverständlich. Ich
möchte nicht deinen ganzen Feuersteinvorrat aufbrauchen.« »Ich habe nichts dagegen. Das Hochwasser nimmt jedes Jahr
einige fort und bringt neue«, sagte sie.
»Dann wird er wohl aus einer Kalkablagerung weiter
flußaufwärts herausgewaschen. Wenn ich wüßte, daß es nicht
weit ist, würde ich hingehen und welche direkt von der Quelle
holen. Der Stein ist soviel besser, wenn er noch bergfrisch ist. Er
läßt sich dann viel besser bearbeiten. Dalanar holt seinen aus
einer Ablagerung in der Nähe der Höhle, und die Qualität von
Zelandonii-Flint ist überall bekannt.«
Die Begeisterung kehrte in seine Augen zurück – wie immer,
wenn er über sein Handwerk redete. Droog war genauso, dachte
Ayla. Er liebte das Herstellen von Werkzeug und Gerät und
alles, was damit zusammenhing. Sie lächelte, als sie daran dachte, wie Droog entdeckt hatte, daß Agas kleiner Sohn – derjenige, der zur Welt gekommen war, nachdem sie zusammengegeben worden waren – lustvoll Steine gegeneinanderschlug. Droog war so stolz gewesen, daß er ihm sogar einen Hammerstein geschenkt hatte. Er tat nichts lieber, als sein Können weiterzugeben; er hat nicht einmal etwas dagegen gehabt, mich einzuweihen, obwohl ich ein Mädchen
war.
Jondalar bemerkte ihr Nach-innen-gekehrt-Sein sowie den
Hauch eines Lächelns, der ihren Mund umspielte. »Woran
denkst
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