Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde

Titel: Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
Vom Netzwerk:
merkte gar nicht, daß ihr die Tränen herunterliefen, bis sie tief Atem holte und daraus ein Schluchzer wurde, und wußte nicht, wie sie sich in Jondalars Armen wiederfand und den Kopf an seiner Schulter barg.
»Ist ja schon gut, Ayla«, sagte der Mann. Mit elf Mutter, mit vierzehn von ihrem Sohn getrennt, war es ihr versagt, ihn aufwachsen zu sehen, ja, war sie sich noch nicht einmal sicher, ob er überhaupt noch am Leben war. Aber sie ist sich sicher, daß jemand ihn liebt und sich um ihn kümmert und ihm das Jagen beibringt … wie es jedem Kind ergeht.
Ayla kam sich vor wie ausgewrungen, als sie schließlich den Kopf von der Schulter des Mannes nahm, aber ihr war auch leichter ums Herz, als ob ihr Kummer nicht mehr ganz so schwer auf ihr lastete. Seit sie den Clan verlassen hatte, war es das erstemal, daß sie ihren Verlust mit einer anderen Menschenseele teilte. Dankbar bedachte sie Jondalar mit einem Lächeln.
Zärtlich und mitleidig erwiderte er es, und plötzlich wallte noch etwas anderes aus der unbewußten Quelle seines Inneren auf und zeigte sich im tiefen Blau seiner Augen. Das brachte eine gleichgesinnte Saite in der Frau zum Klingen. Innig sahen sie einander lange an, und ihre Augen sagten wortlos, was sie laut nicht zu sagen wagten.
Die Intensität dieses Austauschs war zuviel für Ayla; sie hatte immer noch Schwierigkeiten, einen Menschen direkt anzusehen. Sie riß die Augen von ihm los und sammelte ihre Kerbstäbe zusammen. Jondalar brauchte einen Moment, ehe er sich aufraffen und ihr helfen konnte, die Stäbe zu Bündeln zusammenzuschnüren. Als er jetzt an ihrer Seite arbeitete, war er sich der warmen Fülle und ihres angenehmen weiblichen Geruchs bewußter, als er es gewesen war, da er sie in seinen Armen getröstet hatte. Ayla wiederum spürte ein Nachglühen, wo ihre Leiber sich berührt und seine sanften Hände sie angefaßt hatten, und das Salz seiner Haut vermischte sich mit ihren Tränen.
Beide begriffen sie, daß sie einander berührt hatten und dies keinen von ihnen gekränkt hatte. Trotzdem hüteten sie sich sorgsam, sich direkt anzusehen oder einander zu nahe zu kommen, aus Angst, daß es diesen unvorhergesehenen Augenblick der Zärtlichkeit stören könnte.
Ayla nahm ihre Stabbündel auf und wandte sich dann dem Mann zu.
»Wie viele Jahre bist du alt, Jondalar?«
»Ich war achtzehn, als ich auf die Reise ging. Thonolan war fünfzehn … und achtzehn, als er starb. So jung.« Sein Gesicht verriet seinen Schmerz; dann fuhr er fort: »Ich bin jetzt einundzwanzig Jahre alt … und bin immer noch ohne Gefährtin. Ich bin alt für einen Junggesellen. Die meisten Männer haben in diesem Alter eine Frau gefunden, ja, haben schon in einem viel jüngeren Alter ein Herdfeuer gegründet. Sogar Thonolan. Er war sechzehn, als er heiratete.«
»Ich habe aber nur zwei Männer gefunden. Wo war seine Gefährtin?«
»Sie ist gestorben. Bei der Geburt, und ihr Sohn ist auch gestorben.«
Mitleid füllte Aylas Augen. »Deshalb haben wir ja unsere Reise fortgesetzt. Er wollte nicht dort bleiben. Es ist aber auch von Anfang an mehr seine als meine Reise gewesen. Es war immer er, der auf Abenteuer aus war und keinerlei Bedenken kannte. Er hat einfach alles gewagt, und doch war jeder sein Freund. Ich bin bloß mit ihm gereist. Thonolan war mein Bruder und der beste Freund, den ich je hatte. Nachdem Jetamio tot war, wollte ich ihn bewegen, mit mir zurückzukehren nach Hause, aber er wollte nicht. Er war so voller Trauer, daß er ihr bis in die nächste Welt nachfolgen wollte.«
Ayla erinnerte sich, wie unendlich verzweifelt Jondalar gewesen war, als er begriffen hatte, daß sein Bruder tot war; jetzt erkannte sie, daß der Schmerz immer noch verweilte. »Vielleicht ist er dann jetzt glücklicher, wenn es doch das gewesen ist, was er gewollt hat. Es ist schwer weiterzuleben, wenn man jemand verliert, den man so sehr liebt«, sagte sie sanft.
Jondalar dachte daran, wie untröstlich sein Bruder gewesen war, und begriff das jetzt besser. Vielleicht hatte Ayla recht. Sie müßte es wissen; sie hatte Kummer und Elend genug erlebt. Gleichwohl war sie entschlossen weiterzuleben. Thonolan hatte Mut besessen, war tollkühn und unbesonnen gewesen; Aylas Mut war der Mut des Durchhaltens.
    Ayla schlief nicht gut, und das Sich-Herumwälzen und Sichhin-und-her-Geschiebe auf der anderen Seite des Feuers ließ sie vermuten, daß vielleicht auch Jondalar wach dalag. Sie verspürte den Wunsch aufzustehen und zu ihm zu gehen, doch

Weitere Kostenlose Bücher