Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
Jondalar dieses Symbol der Erdmutter, die die Anderen verehrten, mit ihrem Gesicht ausgestattet? War ihr Geist darin gefangen, unlösbar mit dieser Figur verbunden, die er Donii nannte? Creb hatte gesagt, ihr Geist werde durch ihr Amulett an den Geist des Höhlenlöwen gebunden, und durch Ursus, den Großen Höhlenbären, das Totem des Clans. Als sie zur Medizinfrau gemacht worden war, hatte sie ein Stück vom Geist eines jeden Clansangehörigen bekommen, und die waren nach dem Todesfluch nicht zurückgenommen worden.
Clan wie Andere, Totems wie Mutter – all das hatte einigen Anspruch auf jenen unsichtbaren Teil von ihr, der Geist genannt wurde. Ich meine, mein Geist muß ganz durcheinander sein, dachte sie – ich jedenfalls bin es, das weiß ich.
Ein kühler Wind trieb sie zurück zur Höhle. Sie räumte die aufgespießte kalte Wisentlende beiseite und baute ein kleines Feuer auf, wobei sie sich bemühte Jondalar nicht zu stören. Dann setzte sie Wasser auf, um sich einen Tee aufzubrühen, der ihr helfen sollte, sich zu entspannen. Sie war außerstande, sich wieder schlafen zu legen. Während sie wartete, starrte sie in die Flammen und dachte an die vielen Male, da sie in die Flammen gestarrt hatte in dem Verlangen, etwas Lebendiges darin zu sehen. Die heißen Zungen leckten das Holz entlang, suchten zuckend nach dem Geschmack eines neuen Stücks davon, zogen sich dann zurück und sprangen wieder auf, bis es ihnen gehörte und sie es verzehrten.
»Doni! Bist du’s? Bist du’s?« rief Jondalar im Schlaf. Ayla sprang auf und ging zu ihm. Er warf sich hin und her und träumte offensichtlich. Ob sie ihn wecken sollte? Plötzlich riß er die Augen auf und machte ein erschrockenes Gesicht.
»Ist auch alles in Ordnung mit dir, Jondalar?« fragte sie. »Ayla? Ayla! Bist du das?«
»Ja, ich bin’s.«
Er machte die Augen wieder zu und murmelte etwas
Unzusammenhängendes. Ihr wurde klar, daß er nicht wirklich ganz wach gewesen war. Sie hatte offensichtlich zu seinem Traum gehört, doch war er jetzt ruhiger. Sie beobachtete ihn, bis er sich entspannte, und dann kehrte sie ans Feuer zurück. Während sie ihren Tee trank, ließ sie die Flammen ersterben. Als sie endlich müde genug war, streifte sie den Überwurf ab, kroch neben Jondalar unter das Schlaffell und zog dieses um sich. Die Wärme, die der schlafende Mann ausstrahlte, ließ sie daran denken, wie kalt es sein würde, wenn er nicht mehr da war – und neue Tränen kamen aus ihrer unendlichen Leere. Sie weinte sich in den Schlaf.
Keuchend rannte Jondalar auf den Höhleneingang zu. Er hob den Blick und sah den Höhlenlöwen. Nein, nein! Thonolan! Thonolan! Der Höhlenlöwe war hinter ihm, duckte sich und sprang. Plötzlich tauchte die Mutter auf und gebot dem Löwen mit einem Wort abzudrehen.
»Doni! Du bist’s! Du bist’s!«
Die Mutter drehte sich um, und er sah Ihr Gesicht. Das Gesicht war die Donii, die er geschnitzt hatte in dem Bemühen,
sie Ayla ähnlich zu machen. Er rief nach Ihr.
»Ayla? Ayla? Bist du’s?«
Das geschnitzte Gesicht bekam Leben; Ihr Haar war ein
goldener Schimmer, der wiederum von einem roten Glutschein umflossen war.
»Ja, ich bin’s.«
Die Ayla-Donii wuchs und veränderte ihre Gestalt, wurde zu der uralten Donii, die er verschenkt hatte, jener Donii, die seit Generationen in seiner Familie gewesen war. Sie war üppig und mütterlich und dehnte sich immer mehr aus, bis sie Berggröße erreicht hatte. Dann fing sie an zu kreißen. Sämtliche Geschöpfe des Meeres flossen in einem Fruchtwasserschwall aus ihre tiefen Höhle heraus, dann sämtliche Insekten und alle Vögel der Luft. Dann kamen alle Tiere des Landes – Kaninchen, Hirsche, Wisente, Mammuts, Höhlenlöwen – und in der Ferne erblickte er durch einen feinen Nebel hindurch die unbestimmten Gestalten von Menschen.
Der Nebel verflüchtigte sich, sie kamen näher, und plötzlich konnte er sie sehen, Flachschädel! Sie ihrerseits sahen ihn und liefen davon. Er rief hinter ihnen her, und eine Frau drehte sich um. Sie hatte Aylas Gesicht. Er lief auf sie zu, doch der Nebel schloß sich um sie herum und hüllte auch ihn ein.
Er tastete sich durch einen roten Dunst und hörte in der Ferne Brüllen, wie das Rauschen eines Wasserfalls. Das Rauschen wurde immer lauter und bedrängte ihn. Er war überwältigt von dem reißenden Strom von Menschen, der aus dem riesigen Schoß der Erdmutter hervorquoll, einer gewaltigen Erdmutter, wie ein Gebirge und mit dem Gesicht von Ayla. Er
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