Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
wenige
Fluchten davon und kam zurückgetrabt. Die Frau lachte. »Dann
müssen alle kleinen Pferde gleich heißen, oder vielleicht höre
ich den Unterschied auch nicht.« Ayla wieherte abermals, das
kleine Pferd antwortete mit einem Gewieher, und so fuhren sie
eine Weile fort, dieses Spiel zu spielen. Das erinnerte sie
wiederum an die Laut-Spiele, die sie mit ihrem Sohn gespielt
hatte, nur daß Durc jeden Laut hatte hervorbringen können,
den auch sie machen konnte. Creb hatte ihr gesagt, sie habe, als
sie sie gefunden hätten, viele Laute ausgestoßen. Auch war sie
sich bewußt, daß sie viele Laute machen konnte, die kein
anderer fertigbrachte. Welche Freude es für sie gewesen war, als
sie entdeckt hatte, daß ihr Sohn die gleichen Laute ausstoßen
konnte wie sie!
Ayla wandte sich wieder dem Pflücken von Einkornweizen zu.
Auch Zweikorn wuchs im Tal, und außerdem Roggengras,
ähnlich der Art, wie sie in der Nähe der Clanshöhle gedieh. Sie
überlegte, welchen Namen sie dem Pferd geben könne. Sie hatte
noch nie jemand einen Namen gegeben. Sie mußte lächeln. Wie
sonderbar sie es wohl finden würden, wenn sie jetzt
ausgerechnet einem Pferd einen Namen gab. Aber wohl nicht
sonderbarer als den Umstand, daß sie überhaupt mit einem Pferd zusammenlebte. Ayla beobachtete, wie das junge Tier spielerisch davontrabte und in die Luft sprang. Wie froh ich bin, daß das Füllen bei mir lebt, dachte Ayla und hatte einen Kloß im Hals. Jetzt, wo du hier bist, fühle ich mich längst nicht mehr so allein. Ich wüßte nicht, was ich machen würde, wenn ich dich
verlöre. Ich will dir einen Namen geben.
Die Sonne war bereits im Abstieg begriffen, als Ayla innehielt
und zum Himmel aufsah. Ein großer Himmel war das, riesig
und leer. Keine Wolke ließ seine Tiefe erahnen oder das Auge
vor der Unendlichkeit innehalten. Einzig das ferne weiße
Glühen im Westen, dessen waberndes Ausmaß sich gleichsam
nach dem Hinschauen enthüllte, setzte dem intensiven Blau des
Firmaments eine gewisse Grenze. Ayla maß an dem Raum
zwischen dem Strahlen und der Spitze der Klippe, wieviel
Tageslicht ihr noch blieb, und beschloß aufzuhören.
Das Pferd, das merkte, daß sie nicht mehr ganz bei ihrer
Aufgabe war, wieherte und kam auf sie zugelaufen. »Müssen wir
zurück in die Höhle? Dann laß uns vorher aber einen Schluck
Wasser trinken.« Sie legte dem jungen Pferd den Arm um den
Hals und lenkte es zum Fluß hinunter.
Das Laub in der Nähe des fließenden Wassers am Fuß der steil
aufsteigenden Südwand stellte ein ganz langsam sich drehendes
Kaleidoskop von Farben dar, welches den Rhythmus der
Jahreszeiten spiegelte: jetzt da das Dunkelgrün von Tannen und
Fichten mit Sprenkeln von lebhaftem Gold, blasserem Gelb,
trockenen Brauntönen und loderndem Rot vermischt war. Das
geschützte Tal stellte einen leuchtenden Farbklecks inmitten der
gedämpften Beigetöne der Steppe dar, und die Sonne schien
innerhalb seiner windgeschützten Wände wärmer als anderswo.
Trotz all der Herbstfarben hatte Ayla das Gefühl gehabt, einen
Sommertag zu erleben.
»Ich sollte wohl mehr Gras zusammenbringen. Du fängst ja
schon an, deine Lagerstatt zu fressen, wenn ich sie dir frisch
mache.« Neben dem Pferd dahingehend, fuhr Ayla mit ihrem
Monolog fort, hörte dann jedoch unbewußt mit ihren
Handbewegungen auf; nur ihre Gedanken folgten dem Faden.
Iza hatte im Herbst stets Gras für ihre Lagerstätten im Winter
eingesammelt. Wie gut es beim Auswechseln immer geduftet
hatte! Besonders dann, wenn der Schnee hoch lag und draußen
der Wind heulte. Herrlich, dem Wind zu lauschen und das
Sommerfrische Heu zu riechen und dabei einzuschlafen! Als das Füllen erkannte, wohin es gehen sollte, trabte es ein
wenig voraus, und Ayla lächelte nachsichtig. »Du mußt genauso
durstig sein wie ich, kleine Winniiie«, sagte sie und zog den Laut
gleichsam als Antwort auf den Ruf des jungen Tieres in die
Länge. Klingt nicht schlecht als Name für ein Pferd; allerdings,
so eine Namensgebung sollte gebührlich vonstatten gehen. »Winniiie, Winniiie!« rief sie. Das Pferd lupfte den Kopf, sah
zu der Frau hinüber und trabte dann auf sie zu.
Ayla rieb ihm den Kopf und kraulte es. Das Füllen warf das
juckende Babyfell ab, während das längere Winterfell
nachwuchs; es liebte es daher, gekratzt und gekrault zu werden.
»Ich glaube, der Name gefällt dir. Und er paßt zu dir, kleines
Pferdebaby. Ich meine, wir sollten eine
Namensgebungszeremonie für dich abhalten. Zwar kann ich
dich nicht
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