Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
schwieriges – und faszinierendes – Leben sie geführt hatte, sann er. Sie sieht noch so jung aus, ist aber, was die Erfahrungen betrifft, weit älter, als die meisten Menschen je sein werden. Wie lange lebte sie jetzt bei ihnen im Löwen-Lager? Wie hatte sie sich nur in der Heilkunst ein so großes Wissen aneignen können? Er wußte, daß jemand, der nicht dazu geboren war, Belehrungen dieser Art nur selten teilhaftig wurde; dabei war sie eine Außenseiterin gewesen, in einem Maße, wie es sich die meisten Menschen gar nicht vorstellen konnten. Hinzu kam noch ihre unerwartete Gabe des Sich-auf-die-SucheBegebens. Welche anderen Talente mochten noch in ihr schlummern? Welches Wissen, das bis jetzt noch ungenutzt in ihr ruhte? Was für unenthüllte Geheimnisse?
Ihre Stärke kommt erst in der Krise richtig zum Tragen; er erinnerte sich, wie Ayla Tulie und Talut einfach Befehle erteilt hatte. Selbst mir, dachte er lächelnd – und keiner hat dagegen aufgemuckt. Die Fähigkeit zu führen ist ihr ganz natürlich gegeben. Welches Mißgeschick hat ihr widerfahren müssen, ihr schon so jung solche Geistesgegenwart zu verschaffen? Die Mutter hat bestimmt Großes mit ihr vor, da bin ich mir ganz sicher – aber wie steht es mit dem jungen Mann, diesem Jondalar? Auch er ist gewiß sehr von Ihr begünstigt, doch stellen seine Gaben nichts wirklich Außergewöhnliches dar. Was hat Sie mit ihm vor?
Ayla war gerade dabei, die Päckchen mit den Heilkräutern, die sie im Augenblick nicht brauchte, wegzustecken, als Mamut plötzlich genauer hinsah und ihren Medizinbeutel aus Otternfell betrachtete. Wie bekannt der ihm vorkam! Er konnte die Augen schließen und sah einen vor sich, der fast genauso aussah; und das weckte eine Flut von Erinnerungen.
»Ayla, dürfte ich den einmal sehen?« bat er. Er wollte ihn sich genauer ansehen.
»Das hier? Meinen Medizinbeutel?« fragte sie.
»Ich habe schon immer wissen wollen, wie die gemacht werden.«
Ayla reichte ihm den Beutel und sah bei dieser Gelegenheit, wie arthritisch seine langen, dünnen alten Hände verknotet waren.
Sorgfältig untersuchte der uralte Schamane den Beutel. Er bemerkte die Anzeichen der Abnutzung; also mußte sie ihn bereits lange in ihrem Besitz haben. Der Beutel war nicht durch Zusammennähen oder anderes Zusammenfügen von Einzelteilen entstanden, sondern bestand aus dem Balg eines einzelnen Tieres. Statt dem Otter den Bauch aufzuschlitzen – die übliche Art, einem Tier das Fell abzuziehen –, hatte man nur an seiner Kehle einen Schnitt angebracht, so daß der Kopf durch einen Streifen am Nacken noch mit dem Rest des Balgs verbunden war. Knochen und Innereien waren durch den Hals herausgezogen worden und die Hirnhöhle geleert worden, so daß der Kopf ziemlich abgeflacht aussah. Der gesamte Balg war dann getrocknet und geschmeidig gemacht, am Hals waren in bestimmten Abständen kleine Einschnitte angebracht, und mit Hilfe einer Steinahle war ein Riemen zum Zusammenziehen hindurchgezogen worden. Das Ergebnis war ein Beutel, der aus einem glatten, wasserundurchlässigen Otternbalg bestand, an dem Füße und Schwanz noch dran waren und dessen Kopf gleichsam als Taschenpatte diente.
Mamut gab ihn ihr zurück. »Hast du diesen Beutel gemacht?«
»Nein, das war Iza. Sie war die Medizinfrau von Bruns Clan, meine … Mutter. Sie hat mich von klein auf alles gelehrt – wo die Pflanzen wachsen, wie man Medizin daraus macht, wie man diese anwendet. Sie war krank, konnte nicht zum Clan-Treffen. Brun brauchte aber eine Medizinfrau. Und da Uba noch zu jung war, blieb als einzige ich.«
Mamut nickte verständnisvoll; dann faßte er sie plötzlich scharf ins Auge. »Wie lautete der Name doch gleich noch?«
»Welcher? Der meiner Mutter? Iza.«
»Nein, der andere.« Ayla überlegte einen Moment. »Uba?«
»Wer ist Uba?«
»Uba ist … meine Schwester. Nicht meine richtige Schwester, aber wie eine Schwester zu mir. Sie ist die Tochter von Iza. Jetzt ist sie die Medizinfrau … und die Mutter von …«
»Ist Uba ein üblicher Name?« fiel Mamut ihr aufgeregt in die Rede.
»Nein … das glaube ich nicht … Creb hat ihr den Namen Uba gegeben. Die Mutter von Izas Mutter hieß so. Creb und Iza hatten dieselbe Mutter.«
»Creb! Erzähle, Ayla, dieser Creb, hatte der einen schlimmen Arm, und hinkte er leicht?«
»Ja«, antwortete Ayla verwirrt. Woher konnte Mamut das wissen?
»Und war da noch ein Bruder? Einer, der jünger war, aber kräftig und gesund?«
Ayla runzelte die Stirn, als sie
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