Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
ein bemalter, lichtdurchlässiger Wandschirm entstand. Jondalar trat ein paar Schritte zurück, um die Gesamtwirkung zu begutachten, dann trat er neugierig wieder näher. Säuberte man Tierdärme und trocknete sie, waren sie für gewöhnlich lichtdurchlässig; dieser Wandschirm jedoch bestand aus etwas anderem. Er meinte zu erkennen, um was für ein Material es sich handelte, war sich
jedoch nicht ganz sicher.
»Aus Därmen besteht er nicht, nicht wahr? Man hätte sie ja
zusammennähen müssen. Dies hier besteht jedoch aus einem
einzigen Stück.«
Mamut nickte zustimmend. »Dann muß es die oberste
Schicht der Lederhaut eines sehr großen Tieres sein, die man
irgendwie hat ablösen können, ohne daß sie zerrissen ist.« Der alte Mann lächelte. »Es stammt von einem Mammut«,
sagte er.
»Von einer weißen Mammutkuh.«
Jondalar besah sich den Wandschirm ehrfurchtsvoll noch
einmal.
»Jedes Lager erhielt einen Teil der weißen Mammutkuh, denn
sie gab ihren Geist im Laufe der ersten Jagd eines SommerTreffens auf. Die meisten Lager wollten etwas Weißes haben. Ich
bat um dieses; wir nennen es die Schattenhaut. Sie besitzt
weniger Substanz als irgendeines von den weißen Stücken, und sie kann nicht für alle sichtbar ausgestellt werden, damit alle die offenkundig darin wohnende Macht erkennen, aber ich glaube, etwas Feines kann sehr mächtig sein. Hier handelt es sich um mehr denn ein kleines Stück; das hier hat den gesamten inneren
Geist von etwas Ganzem umfaßt.«
Plötzlich stürmten Brinan und Crisavec in das Herdfeuer des
Mammut herein; vom Herdfeuer des Auerochsen und des
Kranichs waren sie den Mittelgang heruntergelaufen
gekommen. Sie fielen übereinander her und rangen und wären
ums Haar gegen die zarte Schattenhaut gestoßen, doch gaben sie
augenblicklich Ruhe, als Brinan sah, daß ihnen der dünne
Unterschenkel eines langen Beins den Weg versperrte. Sie
blickten auf und sahen unmittelbar die Zeichnung des
Mammuts vor sich; beide holten vernehmlich Luft. Dann
wandten sie den Blick Mamut zu. Für Jondalars Begriffe zeigte
das Gesicht des Schamanen keinerlei Ausdruck, doch als die
beiden sieben- und achtjährigen Jungen den alten Schamanen
anblickten, erhoben sie sich rasch, gingen vorsichtig um den
Wandschirm herum und kehrten an das erste Herdfeuer zurück,
als wären sie heftig gescholten worden.
»Sie sahen zerknirscht aus, fast verängstigt, dabei hast du kein
Wort gesagt, und sie haben doch auch sonst noch nie Angst vor
dir gehabt«, sagte Jondalar.
»Aber sie haben den Schirm gesehen. Manchmal sieht man
das Wesen eines mächtigen Geistes, und was man erblickt, ist
das eigene Herz.«
Lächelnd nickte Jondalar, dabei war er sich nicht ganz sicher,
ob er verstanden hatte, was der alte Schamane meinte. Er redet
wie eine Zelandoni, dachte der junge Mann, und spricht mit
einem Schatten auf der Zunge, wie es seinesgleichen häufig tut.
Gleichwohl war er sich nicht sicher, ob er das eigene Herz sehen
wollte.
Als die Jungen durch das Herdfeuer des Fuchses kamen,
nickten sie dem Bildschnitzer zu, der den Gruß lächelnd
erwiderte. Ranecs Lächeln verbreiterte sich, als er seine
Aufmerksamkeit wieder dem Herdfeuer des Mammut
zuwandte, das er nun schon seit geraumer Zeit beobachtete.
Ayla war gerade zum Vorschein gekommen, stand vor den
Fellvorhängen und zupfte an ihrem Hemd herum, damit es
auch richtig saß. Zwar konnte man es bei seiner dunklen Haut
nicht erkennen, aber er errötete bei ihrem Anblick. Er spürte,
wie sein Herz schneller schlug und sich in seinen Lenden etwas
regte.
Je mehr er von ihr sah, desto schöner erschien sie ihm. Die
langen Sonnenstrahlen, die durch das Rauchloch
herniederströmten, lenkten ihr strahlendes Licht absichtlich auf
sie – zumindest kam ihm das so vor. Er wollte sich diesen
Augenblick einprägen, seine Augen mit ihrem Anblick sättigen.
Wenn er an sie dachte, sah er gleichsam alles übertrieben. Das
üppige Haar, das ihr in weichen Wellen ums Gesicht fiel, war in
seinen Augen eine goldene Wolke, die mit den Sonnenstrahlen
spielte; ihre natürlich-unverkrampften Bewegungen stellten für
ihn das Äußerste an Anmut dar. Keiner ahnte etwas von der
Angst, die er in ihrer Abwesenheit um sie ausgestanden hatte,
noch von dem Glücksgefühl, das ihn bei der Vorstellung
durchdrang, daß sie zu einer der ihren wurde. Seine Stirn legte
sich in Falten, als er Jondalar auf sie zugehen, besitzergreifend
den Arm um sie legen und sich zwischen sie stellen sah, so daß
sie seinem Blick
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