Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
sich dort mit einem Becher heißen Tees niederzulassen, ehe sie wieder ins Freie hinausgingen.
Ayla saß neben Mamut und verfolgte mit großem Interesse, was sich ringsumher abspielte. Wie laut es zuging, wenn so viele Menschen sich unterhielten und miteinander lachten, überraschte sie immer noch, wenn sie sich auch langsam daran gewöhnte. Was sie weit mehr verwunderte, war die Unbefangenheit, mit der die Frauen sich unter den Männern bewegten. Es gab keine klar gegliederte Hierarchie und keinerlei Ordnung, nach der gekocht oder das Essen gereicht wurde. Alle schienen sich selbst zu nehmen, bis auf die kleinen Kinder, denen das Essen von Erwachsenen gegeben wurde.
Jondalar kam zu ihnen herüber, ließ sich vorsichtig neben Ayla auf der Grasmatte nieder und balancierte dabei eine wasserundurchlässige und henkellose, aber flexible, aus Palmlilienblättern geflochtene Schale mit einem Zickzackmuster aus stark kontrastierenden Farben, die mit heißem Minztee gefüllt war.
»Du früh aufgestanden«, sagte Ayla.
»Ich wollte dich nicht stören. Du schliefst noch so tief.«
»Ich aufwachen, weil glauben, jemand sich wehgetan, aber Deegie mir sagen, alte Frau … Crozie … immer laut sprechen mit Frebec.«
»Sie haben sich so laut gestritten, daß ich sie sogar draußen gehört habe«, sagte Jondalar. »Frebec ist vielleicht sehr streitsüchtig, aber ich weiß nicht, ob er allein schuld ist. Die alte Frau zetert schlimmer als eine Elster. Wie kann jemand mit ihr zusammenleben?«
»Ich denke, jemand ihr wehgetan«, sagte Ayla nachdenklich.
Verwirrt sah Jondalar auf. Er meinte nicht, daß sie aus Versehen wiederholte, jemand habe sich körperlich weh getan.
»Du hast recht, Ayla«, sagte Mamut. »Alte Wunden, die immer noch schmerzen.«
»Fralie tut Deegie leid.« Ayla wandte sich an Mamut. Bei ihm hatte sie keine Angst, Fragen zu stellen, doch wollte sie ihre Unwissenheit nicht allgemein preisgeben. »Was ist Brautpreis? Deegie sagt, Tulie verlangen hohen Brautpreis für sie.«
Mamut antwortete nicht sogleich, sondern sammelte sich sorgfältig, weil er wollte, daß sie ihn auch richtig verstand. Erwartungsvoll sah Ayla den weißhaarigen alten Mann an. »Ich könnte dir eine einfache Antwort darauf geben, Ayla, aber die Sache ist schwieriger, als man meint. Ich habe viele Jahre darüber nachgedacht. Es ist nicht leicht, sich und sein Volk zu verstehen und zu erklären, selbst wenn man einer von denen ist, bei dem andere sich Rat holen.« Er schloß die Augen und konzentrierte sich. »Du weißt, was ›Stellung‹ bedeutet, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Ayla. »Beim Clan Anführer höchste Stellung, dann erwählter Jäger, dann andere Jäger. Auch Mog-ur hohe Stellung, nur anders. Er ist … Mann der Geisterwelt.«
»Und die Frauen?«
»Frauen haben Stellung als Gefährtin; nur Medizinfrau gilt von sich aus und hat eigene Stellung.«
Aylas Antwort überraschte Jondalar. Trotz allem, was er von ihr über die Flachköpfe erfahren hatte, bereitete es ihm immer noch Schwierigkeiten zu glauben, daß sie ein Konzept begreifen könnten, das so kompliziert war wie eine auf Vergleichen beruhende Rangordnung.
»Das hatte ich mir gedacht«, sagte Mamut gelassen und fuhr dann fort zu erklären: »Wir verehren die Mutter, die Schafferin und Unterhalterin allen Lebens. Menschen, Tiere, Pflanzen, Wasser, Bäume, Felsen, Erde sind aus Ihr hervorgegangen; Sie hat alles geschaffen. Wenn wir den Geist des Mammut anrufen, oder den Geist des Hirsches oder des Büffels, und sie bitten, Jagd auf sie zu machen, tun wir das in dem Bewußtsein, daß es der Geist der Mutter war, der sie zum Leben erweckt hat; Ihr Geist ist es, der veranlaßt, daß ein weiterer Mammut, oder Hirsch oder Büffel, geboren wird, um diejenigen zu ersetzen, die Sie uns zur Nahrung gibt.«
»Bei uns heißt es, das Leben ist ein Geschenk der Mutter«, sagte Jondalar fasziniert. Es interessierte ihn zu erfahren, worin sich Sitten und Gebräuche der Mamutoi von denen der Zelandonii unterschieden.
»Mut – die Mutter – hat die Frauen ausgewählt, uns zu zeigen, wie Sie den Geist des Lebens in Sich aufgenommen hat, um neues Leben zu schaffen und hervorzubringen, um das zu ersetzen, das Sie zurückgerufen hat«, fuhr der alte heilige Mann fort. »Kinder erfahren dies, wenn sie heranwachsen, aus Legenden, Geschichten und Liedern, doch darüber bist du inzwischen hinaus, Ayla. Wir lauschen diesen Geschichten gern, selbst wenn wir alt werden, du jedoch mußt die Grundströmung
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