Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
verstehen, die sie trägt, und was darunter liegt, damit du die Grundlage für viele unserer Sitten begreifst. Welche Stellung und welchen Rang man bei uns einnimmt, das hängt von der Mutter ab, und der Brautpreis stellt eine Möglichkeit dar zu zeigen, was man wert ist.«
Ayla war gefesselt und nickte. Jondalar hatte versucht, ihr das mit der Mutter zu erklären, aber Mamut hatte es ihr auf eine Weise dargestellt, die es ihr leichter machte, es zu begreifen.
»Wenn Frauen und Männer beschließen, eine Verbindung einzugehen, machen der Mann und sein Lager der Mutter der betreffenden Frau und ihrem Lager viele Geschenke. Die Mutter oder die Anführerin des Lagers setzt den Preis für die Tochter fest – das heißt, sie sagt, wie viele Geschenke erforderlich sind; gelegentlich kommt es aber auch vor, daß eine Frau ihren eigenen Preis festsetzt, doch kann sie das nicht willkürlich tun, denn es hängt von vielerlei Dingen ab. Keine Frau möchte unterbewertet werden; gleichwohl sollte der Preis nicht so hoch sein, daß der Mann ihrer Wahl und sein Lager ihn sich nicht leisten könnten oder nicht bereit wären, ihn zu bezahlen.«
»Warum Bezahlung für eine Frau?« fragte Jondalar. »Macht sie das nicht zu einer Handelsware wie Salz oder Feuerstein oder Bernstein?«
»Der Wert einer Frau ist viel höher. Der Brautpreis ist das, was ein Mann für das Vorrecht bezahlt, mit einer Frau zu leben. Ein guter Brautpreis kommt allen zugute. Er bringt zum Ausdruck, wie hoch die Stellung ist, die eine Frau einnimmt; er läßt jedermann erkennen, wie große Stücke ein Mann, der sie begehrt – und sein Lager – auf sie geben. Das ehrt sein Lager und gibt ihnen Gelegenheit zu beweisen, daß sie erfolgreich sind und es sich leisten können, den geforderten Preis zu zahlen. Außerdem ehrt er das Lager der Frau, beweist ihnen Ansehen und Achtung und gibt ihnen etwas, das sie dafür entschädigt, wenn sie – was manche jungen Frauen tun – ihr Lager verlassen, um ein neues Lager zu gründen oder um im Lager des Mannes zu leben. Am wichtigsten ist jedoch, daß es ihnen hilft, einen guten Brautpreis zu bezahlen, wenn einer aus ihrem eigenen Lager eine Frau begehrt; so können sie zeigen, wie reich sie sind.
Kinder werden mit der Stellung ihrer Mütter geboren; infolgedessen kommt ihnen ein hoher Brautpreis zugute. Obwohl der Brautpreis in Geschenken bezahlt wird und manche der Geschenke für das junge Paar gedacht sind und ihnen helfen sollen, ein gemeinsames Leben zu beginnen, liegt der eigentliche Wert in der Stellung und im hohen Ansehen, in dem eine Frau in ihrem eigenen Lager und in allen anderen Lagern steht, und dem Wert, den sie wiederum ihrem Gefährten und ihren Kindern verleiht.«
Ayla war immer noch ganz durcheinander, doch Jondalar nickte. Er schien allmählich zu begreifen, worum es ging. Die spezifischen und verzwickten Einzelheiten waren nicht die gleichen, doch im großen und ganzen waren Verwandtschaftsbeziehungen und Wertvorstellungen bei seinem eigenen Volk nicht anders. »Woran erkennt man den Wert einer Frau? Um zu einem guten Brautpreis zu kommen?« wollte der Zelandonii-Mann wissen.
»Die Höhe des Brautpreises hängt von vielen Dingen ab. Ein Mann wird immer versuchen, eine Frau mit der höchsten Stellung zu finden, die er sich leisten kann, denn wenn er seine Mutter verläßt, nimmt er die Stellung seiner Gefährtin an, die entweder schon Mutter ist oder Mutter werden wird. Eine Frau, die bereits bewiesen hat, daß sie Mutter werden kann, besitzt einen höheren Wert; infolgedessen sind Frauen mit Kindern sehr begehrt. Männer werden immer wieder versuchen, den Wert ihrer späteren Gefährtin hochzutreiben; sie haben ja nur Gutes davon. Zwei Männer, die im Wettstreit um eine hochbewertete Frau liegen, können – sofern sie gut miteinander auskommen und die Frau sich damit einverstanden erklärt – ihre Mittel zusammenlegen und den Brautpreis auf diese Weise womöglich noch mehr in die Höhe treiben.
Manchmal tut sich ein Mann mit zwei Frauen zusammen, insbesondere mit zwei Schwestern, die sich nicht voneinander trennen wollen. Dann bekommt er die Stellung der höherbewerteten Frau und wird wohlwollend eingeschätzt, was seine Stellung zusätzlich erhöht. Er beweist nämlich, daß er imstande ist, für zwei Frauen und ihre zukünftigen Kinder aufzukommen. Zwillingsschwestern gelten als ganz besonderer Segen und werden selten getrennt.«
»Als mein Bruder unter den Sharamudoi eine Frau fand, wurde er
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