Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
»Vielleicht sind wir verwandt, oder waren es vor
langer Zeit einmal.«
»Als sie in dem umzäunten Bereich gefangen waren,
brachte Jondalar den Männern und Jungen bei, etwas herzustellen, vor allem Werkzeug«, erzählte Ayla weiter. »Er
war es auch, der die Möglichkeit zur Flucht entdeckte.
Wenn wir auf unseren Reisen Menschen begegneten, stellte
er sich oft als >Jondalar von den Zelandonii< vor. Insbesondere ein Junge verwendete nur das Wort Zelandonii in
seinem Namen und sprach es aus wie >S'Elandon< mit der
Ehrenbezeichnung, weil er ihn so achtete und respektierte.
Wahrscheinlich glaubte er, dass das die Bedeutung seines
Namens war: Jondalar, der Geehrte. In der Legende gaben
sie mir offenbar auch diese Ehrenbezeichnung.«
Marthona war zufrieden, vorerst zumindest. Sie wandte
sich an Ayla. »Entschuldige, ich vergesse meine Manieren.
Bitte stelle mich deinen Verwandten vor.«
»Das ist Danug von den Mamutoi, Sohn von Nezzie, verbunden mit Talut, dem Anführer des Löwenlagers, und das ist sein Vetter Druwez, Sohn von Taluts Schwester Tulie, Mit-Anführerin des Löwenlagers der Mamutoi«, begann Ayla. »Danugs Mutter Nezzie gab mir mein Hochzeitsgewand. Du erinnerst dich, ich erzählte dir, dass sie mich adoptieren wollte, aber dann überraschte Mamut sie alle und
adoptierte mich.«
Ayla wusste, dass ihr Hochzeitskleid die ältere Frau sehr
beeindruckt hatte, und sie wusste auch, dass Marthona als
Mutter der jungen Frau, die bald den Knoten knüpfen würde, den Status der beiden jungen Mamutoi erfahren wollte,
da sie vermutlich Teil der Hochzeitszeremonie sein würden. »Ich weiß, dass andere euch bereits willkommen geheißen
haben, aber ich möchte meine Begrüßung der ihren hinzufügen«, sagte Marthona. »Ich kann verstehen, dass euer
Volk Ayla vermisst, sie ist für jede Gemeinschaft eine wertvolle Bereicherung, aber sollte es euch ein Trost sein, könnt
ihr allen ausrichten, dass wir sie wirklich zu würdigen wissen. Sie ist unserer Höhle als Mitglied überaus willkommen. Auch wenn ein Teil ihres Herzens stets den Mamutoi gehören wird, ist sie als Zelandonii sehr geschätzt.« »Danke«, sagte Danug. Als Sohn der Gefährtin des Anführers war ihm bewusst, dass dies alles zum Austausch von
Informationen gehörte, die das Ansehen und die Stellung
der Gesprächspartner verdeutlichten. »Sie fehlt uns allen.
Meine Mutter war sehr traurig, als Ayla uns verließ, sie war
ihr wie eine Tochter, doch sie verstand auch, dass ihr Herz
Jondalar gehörte. Nezzie wird glücklich sein zu hören, dass
Ayla bei den Zelandonii so herzlich aufgenommen wurde
und dass ihre außerordentlichen Gaben so große Anerkennung finden.« Obwohl der junge Mann nicht perfekt Zelandonii sprach, war er unverkennbar wortgewandt und vermochte den Rang seiner Familie in seinem Volk zu vermitteln.
Niemand verstand den Wert und die Bedeutung von Stellung und Ansehen besser als Marthona. Ayla war der Gedanke von Status nicht fremd, er war auch beim Clan von
großer Bedeutung gewesen, und langsam lernte sie, wodurch die Zelandonii einem Menschen welche Bedeutung
zuerkannten, aber es würde für sie nie ein intuitives Wissen
sein, wie Marthona es besaß, die in die höchste Ebene innerhalb ihres Volkes hineingeboren worden war. In einer Gesellschaft, in der es keine Zahlungsmittel gab,
bedeutete Status mehr als das Ansehen, er war eine Art
Wohlstand. Man erwies Menschen mit Status sehr gern einen Gefallen, weil Verpflichtungen stets auf gleiche Art abzugelten waren. Wenn man jemanden bat, etwas herzustellen, etwas zu tun oder an einen bestimmten Ort zu gehen,
schuldete man dem anderen selbstverständlich einen ähnlichen Gefallen. Niemand hatte gerne Schulden, doch gab es
auch niemanden, der keine hatte, und wer einen Schuldner
von hohem Stand hatte, gewann an Ansehen.
Vieles musste bei der Einschätzung des Standes berücksichtigt werden, und deshalb gab man bei der förmlichen
Vorstellung Namen und Zugehörigkeiten an. Den Wert zu
bestimmen war ein Faktor, ebenso wie der Einsatz, den jemand leistete. Selbst wenn das Endprodukt qualitativ nicht
gleichwertig war, hatte der Mensch sein Bestes dafür gegeben, die Schuld konnte als beglichen gelten, doch steigerte
sie nicht den Rang. Alter war ein Faktor, bis zu einem gewissen Alter machten Kinder keine Schulden. Wer ein Kind
versorgte - auch das eigene -, beglich eine Schuld gegenüber
der Gemeinschaft, denn Kinder verhießen den Fortbestand
des Volkes.
Ein gewisses Alter zu erreichen und ein
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