002 - Das Henkersschwert
In der Schönheit des Himmels. Sie sind sieben. Sie sind weder Mann noch Frau. Sie sind sieben. Die Feinde! Die Feinde! Sie sind sieben! Sie sind zweimal sieben! Mächte des Himmels, Mächte der Erde, vernichtet die sieben!«
Ein lauter Knall war zu hören, als Dorian den Wagen bestieg. Das Haus begann zu schwanken. Rauch stieg zum Himmel auf. Der Dachstuhl brach krachend zusammen. Dorian lachte grimmig, startete und fuhr los. Er hatte die Flucht fast geschafft und einige Verwirrung unter der Familie Zamis angerichtet. Coco hatte ihm gesagt, daß der Zauberspruch zu schwach sein würde, um das Haus völlig zu vernichten, aber für seinen Zweck genügte er. Noch aber befand er sich nicht in Sicherheit.
Er war erst wenige Meter gefahren, als er den unheimlichen Einfluß spürte. Der Wagen gehorchte ihm nicht mehr, sondern machte sich selbständig. Verzweifelt schlug Dorian das Lenkrad nach rechts ein. Die Steuerung blockierte. Er stieg auf die Bremse, doch der Wagen raste weiter. Die Scheiben bezogen sich langsam mit Eis. Er konnte nichts mehr erkennen. Verzweifelt versuchte er die Wagentür zu öffnen und hinauszuspringen, aber der Riegel ließ sich nicht lösen. Die gespenstische Fahrt ging weiter. Die Tachonadel pendelte auf siebzig. Der Wagen schoß in eine Kurve, und Dorian wurde auf den Beifahrersitz geschleudert. Nochmals griff er nach dem Lenkrad, aber es war nicht zu bewegen, und die Bremse ließ sich nicht durchdrücken. Er fuhr jetzt mehr als neunzig Kilometer pro Stunde.
Wieder raste der Wagen in eine Kurve. Dorian wußte keine Möglichkeit, wie er dieser Falle entrinnen konnte. Irgend etwas mußte er aber tun. So beschloß er, das Kreuz gegen die Windschutzscheibe zu pressen. Nichts änderte sich. Der Wagen wurde nur noch schneller.
Dorian ließ das Kreuz los und preßte das ägyptische Amulett gegen die Scheibe. Das Eis begann zu schmelzen, und Dorian konnte wieder sehen. Der Wagen bog eben in die Jagdschloßgasse ein und sauste auf die geschlossenen Bahnschranken zu. Die Tachonadel pendelte um hundertzwanzig. Verzweifelt griff Dorian nach dem Lenkrad, aber es war noch immer blockiert. Die Schranke kam näher. Dorian sah die Scheinwerfer einer näherkommenden Lokomotive. Er schloß die Augen. Den Zusammenstoß mit der Lokomotive würde er nicht überleben. Der Wagen würde die Bahnschranken durchschlagen und sich in die Lok bohren. Nur noch wenige Sekunden, dann war alles vorüber. Die Lokomotive kam ihm wie ein schnaufendes Monstrum vor und bewegte sich, eine schwarze Dieselwolke ausstoßend, unaufhaltsam auf ihn zu.
»Bagahi laca Bachabe!« brüllte Dorian abermals.
Er hatte beschlossen, alle Zaubersprüche, die er kannte, laut aufzusagen. Der Spruch hatte nicht gewirkt. Lenkrad und Bremse waren noch immer blockiert.
»O Qualbpaga! O Kammara! O Karthenmon! O Ama …«
Er stockte. Die Steuerung funktionierte wieder. Er riß das Lenkrad nach rechts herum. Der Motor heulte protestierend auf, und der Wagen bockte wie ein junges Rennpferd. In letzter Minute konnte er in die schmale Straße einbiegen, die rechts neben den Schienen entlanglief. Der Wagen rumpelte über den Bürgersteig, scherte nach links aus, streifte einen Baum und raste zwischen zwei geparkten Autos hindurch. Langsam bremste Dorian ab. Ununterbrochen murmelte er die magischen Namen der ägyptischen Götter vor sich hin. Er wollte kein Risiko mehr eingehen. Sein Körper war in Schweiß gebadet, sein Anzug schmutzig und an vielen Stellen zerrissen. Der Wagen rollte jetzt nur noch langsam dahin.
An einer Kreuzung beugte er sich vor und sah in den Rückspiegel.
Er erschrak, als er sein Gesicht sah. Es war bleich und aufgedunsen.
Seine Pupillen waren matte, schwarze Steine ohne Leben. Sein Rücken schmerzte, und die Hände zitterten unkontrolliert. Er sehnte sich nur noch nach seinem Bett.
Auf dem Rückweg verfuhr er sich einige Male. Am liebsten wäre er stehengeblieben und hätte im Wagen geschlafen. Doch die Angst, daß die Zamis' ihn noch einmal auffinden könnten, hielt ihn wach.
Kurz vor Mitternacht überquerte er den Ring und fuhr in die Innenstadt. Seine Hand umklammerte noch immer das Amulett, als er das Hotel betrat. Ununterbrochen murmelte er die Namen der ägyptischen Götter. Der Nachtportier sah ihn fassungslos an, als er seinen Zimmerschlüssel verlangte. Kopfschüttelnd schaute er dem Gast nach, der wie ein Irrer vor sich hinbrabbelnd sein Zimmer aufsuchte.
Dorian schlief tief und traumlos. Um acht Uhr weckte ihn
Weitere Kostenlose Bücher