0036 - Die Nacht des Feuergottes
war, wußten sie, daß sie nicht mehr lange zu leben hatten, falls nicht noch ein Wunder geschah.
Jeswesbury fuhr sich durch das blonde Haar. Er blickte sich um. In dieser einsamen Tropfsteinwelt wohnte das nackte Grauen. Es war nicht zu sehen. Aber man konnte es mit jeder Körperfaser fühlen.
Wohin die beiden Schriftsteller auch gingen, sie wußten, daß das Böse stets in ihrer Nähe war. Sie waren nur scheinbar allein. In Wirklichkeit standen sie unter schärfster Bewachung.
Obwohl die beiden Engländer das ahnten, zogen sie einen Fluchtversuch in Erwägung.
Marion McNally massierte seinen Nacken. »Verdammt, ich war immer so stolz darauf, Nerven wie Stahlseile zu haben, Im Moment sind sie nur noch so dünn wie Zwirn.«
Jewesbury nickte. »Mir geht es genauso. Wir hätten uns auf dieses Abenteuer besser vorbereiten müssen.«
»Wie denn?«
»Was weiß ich. Vielleicht hätten wir mehr über die Bekämpfung von Dämonen lesen sollen.«
»Bitte nimm’s mir nicht übel, Kevin, aber ich sehe inzwischen ein, daß es besser gewesen wäre, die Finger von der Sache zu lassen. Wir nahmen diesen Feuergott nicht richtig ernst. Wir dachten, das wäre eine mehr oder weniger harmlose Märchengestalt, mit der wir schon irgendwie fertigwerden würden. Das soll bei Gott kein Vorwurf sein. Es war schließlich zuerst meine Idee, nach Nicaragua zu reisen.«
Jewesbury betrachtete die Stalaktiten und Stalagmiten, von denen sie umgeben waren. »Wir hätten auf Fraval hören sollen. Aber was nützt es, wenn wir das jetzt einsehen. Jetzt, wo’s zu spät ist.«
Wieder massierte McNally seinen Nacken. Er verzog sein Gesicht. »Verdammt, ich muß hier raus, Kevin. Ich halte es in dieser unheimlichen Geisterwelt nicht aus.«
Sie entschieden sich für irgendeine Richtung und setzten sich in Bewegung. Tropfsteine, Tropfsteine, Tropfsteine… Endlos.
»Ich komme mir vor wie eine Rakete, die sich im All verflogen hat«, brummte McNally. »Das scheint hier ewig so weiterzugehen. Diese Welt scheint kein Ende zu haben.«
Jewesbury wollte das nicht hören. Er schüttelte unwillig den Kopf und winkte ab. »Sei still. Nimm mir nicht die allerletzte Hoffnung!«
Sie gingen weiter. Unermüdlich. Kevin Jewesbury stolperte immer wieder mit seinen langen Beinen, aber er gab nicht auf. Selbst wenn er fiel, blieb er nicht liegen.
Er erhob sich jedesmal sofort wieder und ging noch schneller als zuvor weiter. Es gab keine Zeit in der Welt des Feuergottes. Aber es mußten viele Stunden vergangen sein, als McNally endlich schweratmend stehenblieb und knirschend sagte: »Es hat keinen Zweck, Kevin. Du kannst noch so weit laufen. Du kommst trotzdem nirgendwohin. Es ist, als würden wir im Kreis rennen. Merkst du denn nicht, daß dieser Teufel sein gemeines Spiel mit uns spielt?«
»Wir müssen es weiter versuchen, Marion. Wir dürfen nicht aufgeben!« sagte Jewesbury eindringlich.
McNally hob drohend die rechte Faust. »Ich lasse mich von diesem Bastard nicht zum Narren machen. Wenn er mich töten will, dann soll er es tun. Aber ich werde vor ihm nicht zum Idioten.«
»Ein Stück noch«, sagte Jewesbury flehend. »Komm weiter, Marion. Nur noch ein Stück!«
»Na schön. Aber dann ist Schluß damit.«
Sie gingen weiter durch die endlose Tropfsteinwelt. Plötzlich entdeckte Kevin Jewesbury eine steil aufragende Felswand. Er schluckte aufgeregt. »Mensch, Marion! Siehst du das auch? Hier scheint das Reich des Feuergottes zu Ende zu sein. Junge, der Himmel hat uns noch nicht ganz verlassen.«
Sie gingen schneller.
Allmählich begann auch McNally wieder Hoffnung zu schöpfen.
Er verdrängte die Zweifel, die ihm einreden wollten, daß eine Flucht niemals gelingen konnte. Diese schroffe Felswand war seit langem ein erster Lichtblick.
Wenn es ihnen gelang, daran hochzuklettern…
Wer möchte wissen, wohin sie führte. Vielleicht geradewegs in die Freiheit. Sie erreichten die Wand. Kevin Jewesbury berührte sie beinahe ehrfürchtig. »Eines kann ich dir sagen«, teilte er seinem Freund keuchend mit, »wenn wir hier mit heiler Haut herauskommen, begehe ich nie mehr wieder eine solche Dummheit.«
»Ich auch nicht. Es gibt weit ungefährlichere Themen, über die wir schreiben können.«
Jewesbury blickte nach oben. Er entdeckte einen schmalen Felskamin, der schnurgerade nach oben führte.
Und oben – ganz oben… es war fast zu schön, um wahr zu sein – leuchtete ein kleiner blauer Punkt. Der Himmel vielleicht!
»Marion, ich schnappe vor Freude
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