0042 - Der Totenbeschwörer
Leben bei der Erfüllung seines Dienstes verloren hatte.
Danach fragten allerdings die Witwe und die beiden zurückgebliebenen Kinder nicht.
Ich verspürte immer einen schalen Geschmack im Mund, wenn ich diese Art von Reden hörte.
Auch Bill Conolly verzog das Gesicht. Mein Freund dachte ähnlich wie ich.
Dann sprachen der Pfarrer und der Bürgermeister von Gatway. Eine halbe Stunde verging.
Die ersten Blumen wurden in das Grab geworfen, nachdem der Sarg in der kalten Erde stand. Die Witwe mußte gestützt werden. Sie weinte herzzerreißend.
Langsam gingen die Trauergäste vor. Bill und ich schlossen uns der Reihe an. Wir waren so ziemlich die letzten, die dann vor dem offenen Grab standen. Die meisten hatten sich bereits zurückgezogen und schritten dem Ausgang entgegen.
Ich nahm die kleine Schaufel zuerst, stach das Blatt in den Lehmhügel und ließ die gelbbraune Erde auf den Sarg fallen. Es polterte dumpf.
Ich stand einige Sekunden bewegungslos wie ein Denkmal, dachte noch einmal über den Kollegen nach und murmelte einen letzten Gruß.
Dann machte ich Platz für Bill Conolly.
Die Witwe stand etwas abseits. Schmerzgebeugt. Sie sah nicht auf, als ich ihr die Hand drückte und mein ehrliches Beileid aussprach. Den Kindern strich ich über das Haar.
Ach verdammt, ich kam mir so hilflos vor. Ich wollte tröstende Worte sagen, doch mir fiel nichts ein. Ich empfand all diese Phrasen als leeres Gewäsch.
Ein Freund stand bei der Witwe und hielt ihren Arm. Ich kannte den Mann nicht.
Er stellte sich mir als Lester Hanson vor.
Auch ich murmelte meinen Namen, wartete, bis Bill das gleiche getan hatte, und dann gingen wir.
Dumpf dröhnten unsere Schritte auf den Holzbohlen, die den Weg zum Grab markierten.
Ich warf einen Blick über die Schulter zurück und sah, daß auch die Witwe mit den beiden Kindern ging. Lester Hanson begleitete sie. Die drei nahmen einen anderen Weg.
Bill und ich waren allein.
»Sollen wir noch zu der Trauerfeier gehen?« fragte Bill.
Ich schaute auf die Uhr und blieb dabei dicht vor einem anderen Grab stehen. »Ja.«
»Okay.«
Bill Conolly war bereits einen Schritt vorgegangen, als ich das Geräusch hörte.
Es war ein widerliches Schmatzen und Lecken!
Plötzlich standen mir die Haare zu Berge, und eine Gänsehaut rann über meinen Körper.
Das Schmatzen – es war direkt aus dem Grab neben mir gekommen!
***
Bill Conolly bliebe stehen, drehte den Kopf und schaute mich stirnrunzelnd an. »Was ist?«
»Komm her!« flüsterte ich.
Noch immer lag die Gänsehaut auf meinem Körper. Ich war sicher, daß ich mich nicht verhört hatte.
Bill trat neben mich. »Was ist denn?« wiederholte er seine Frage.
Ich erklärte es ihm.
Mein Freund schaute mich an, als ob er einen Geisteskranken vor sich hätte.
»Das gibt’s doch nicht«, sagte er leise. »Du mußt dich geirrt haben, John.«
Stur schüttelte ich den Kopf, und dann erhielt ich den Beweis.
Wieder hörte ich das Schmatzen. Diesmal auch Bill Conolly. Mein Freund wurde blaß. Jetzt sah ich bei ihm die berühmte Gänsehaut.
»Nun?«
Bill schluckte, bevor er antworten konnte. »Du – du hast recht, John. Das Schmatzen kommt aus dem Grab.«
Ich ging in die Knie, schaute mir das Grab genauer an. Es war noch relativ frisch, konnte eigentlich nicht älter als einen Monat sein. Trotzdem sah es anders aus als die anderen Gräber in der Reihe, die ungefähr zur gleichen Zeit angelegt worden waren.
Die Oberfläche war aufgewühlt und nur unvollständig zurechtgedrückt worden. So, als wäre jemand diesem Grab entstiegen.
Nicht zum erstenmal war ich mit diesen schrecklichen Dingen konfrontiert worden. Ich kannte mich mit lebenden Toten aus, mit Zombies und Widergängern. Bereits bei meinem ersten Einsatz vor einigen Jahren hatte ich mich mit den lebenden Toten auseinandersetzten müssen. Damals waren sämtliche Leichen eines Dorffriedhofs aus ihren Gräbern gestiegen. [1]
Ich stand wieder auf.
»Der Tote, der hier begraben liegt, heißt Alex Hanson«, sagte Bill Conolly. »Ich habe den Namen auf dem Kreuz gelesen.«
Hanson! Der Name kam mir bekannt vor. So hieß doch auch der Begleiter von der Witwe.
Fest schaute ich meinen Freund an.
»Wenn mich nicht alles täuscht, Bill, wird es heute wohl noch nichts mit unserer Rückreise. Ich muß dieses Geheimnis lüften.«
»Worauf du dich verlassen kannst«, erwiderte mein Freund.
***
Schweigend gingen wir zum Parkplatz, stiegen in meinen Bentley und rollten in den
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