0054 - Die Schlucht der Vampire
seinen Willen nach Belieben aufzwingen konnte?
Wütend schaute sich der Professor um. Eine schwarze Wand ragte ringsherum auf. Trügerischen Frieden atmete ihm der Dschungel entgegen.
Warum hatte Willa so seltsam gelächelt? Zamorra schaute das Mädchen durchdringend an. Sie drehte sich von ihm weg. Was für ein Mädchen ist das? fragte sich Zamorra.
Massenet lenkte ihn ab. Er trat neben ihn und fragte: »Was machen wir nun, Professor?«
Zamorra schaute die Toten an und sagte gepreßt: »Wir können sie nicht einfach hier liegen lassen. Die Tiere würden sie auffressen. Sie müssen begraben werden.«
»Wir haben keinen einzigen Spaten«, gab der Missionar zu bedenken.
»Dann werden wir eben mit unseren Stöcken graben, oder mit blo- ßen Händen. Diese drei Toten haben ein Recht auf ein Grab!«
Zu acht begannen sie den schwarzen Boden des Dschungels aufzuwühlen. Acht Männer buddelten sich keuchend in das weiche Erdreich hinab. Sie arbeiteten bis kurz vor Mitternacht.
Dann legten sie die Leichen in die Gruben. Sie schütteten die Erde über sie, traten die Hügel fest. Zamorra bat den Missionar, ein Gebet zu sprechen.
Doch Massenet war so sehr gerührt, daß er keinen Ton herausbrachte.
Deshalb übernahm es Zamorra, für die Erschlagenen zu beten. Abschließend sagte er: »Herr, steh uns bei! Laß diese drei Menschen die letzten Opfer sein, die uns dieses leidenvolle Abenteuer abgerungen hat!«
»Amen«, sagten die anderen.
Und es bekreuzigten sich auch diejenigen, die keinen Glauben hatten. Nur Willa Salik schlug nicht das Kreuz. Aber das bemerkte niemand.
***
Dobson hockte immer noch da, wo ihn die anderen zurückgelassen hatten. Er hatte sich einige genießbare Pilze geholt, hatte eine Menge Beeren gegessen, verspürte weder Hunger noch Durst. Allmählich kam er wieder zu Kräften. Er begann bereits Pläne zu schmieden.
Natürlich konnte er nicht wochenlang auf diesem Fleck sitzenbleiben. Morgen oder übermorgen würde er zum Wrack zurückkehren und da auf das Eintreffen eines Suchflugzeuges warten.
Die Schwärze der Nacht machte ihm Angst.
Jetzt vermißte er die Gesellschaft der anderen und spürte mit großer Deutlichkeit, wie allein und hilflos er war. Schnell wuchs seine Angst.
Bald hatte er nicht mehr den Mut, sich hinzulegen und zu schlafen. Jedes Geräusch – selbst das kleinste – erschreckte ihn. Ihm war, als höre er alles viel lauter. Die Dunkelheit hatte mit einemmal etwas Bedrohliches für ihn.
Mit flackernden Augen schaute er sich um. Und immer hatte er das Gefühl, jemand wäre hinter ihm. Wenn er dann dorthin blickte, entdeckte er nichts. Und er fühlte sich wieder aus einer anderen Richtung angestarrt.
Hoch oben fegte der Wind durch die Baumkronen. Ein Wispern und Raunen flog durch den dichten Urwald. Irgendwo brach ein Ast. Dobson zuckte zusammen. Ein Raubtier?
Hastig zückte er sein Messer. Er klappte es auf und hielt es zitternd in der feuchten Hand. Hörte er Schritte? Atmete dort vielleicht jemand?
Was war es eigentlich, das ihn so schrecklich ängstigte?
Langsam kamen ihm Zweifel, ob es richtig gewesen war, zurückzubleiben. Zamorra hatte recht. Nun war er den Gefahren dieses gottverdammten Dschungels hilflos ausgeliefert.
Wäre es nicht vernünftiger gewesen, mit den anderen zu gehen?
Er war wütend und erschöpft gewesen. Vielleicht hatten ihn auch Holm und Bianco zu sehr gereizt.
Aber wenn die Frauen den Marsch schafften, mußte er ihn doch als Mann gleichfalls schaffen.
Wieder ein knackendes Geräusch. Tony Dobson fuhr sich unwillkürlich an die Lippen. Sein ganzes Leben hatte er sich noch nicht so sehr gefürchtet wie in dieser Nacht.
Die unterschwellige Angst trieb ihn hoch. Er konnte nicht mehr auf dem Boden hocken bleiben. Seine angespannten Nerven vibrierten. Er horchte in die undurchdringliche Finsternis hinein.
***
Furchtbar kalt wurde ihm mit einemmal.
Was sollte er tun?
Was unternimmt man gegen eine Angst, die einem im ganzen Körper sitzt und sich immer tiefer in die Knochen hineinfrißt? Wie wird man sie los?
Dobson stampfte fluchend mit dem Fuß auf. Warum machte er sich verrückt? Eigentlich war nichts vorhanden, wovor er sich ängstigen mußte.
Geräusche hatten keinen Körper. Geräusche konnten ihm nicht gefährlich werden. Wozu also die heillose Furcht? Vor diesem geisterhaften Raunen und Wispern?
War das ein Grund, verrückt zu spielen?
Er wollte sich zur Ruhe zwingen. Doch sein Geist war keinem vernünftigen Argument zugänglich.
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