0095 - Am Mittag vor dem großen Coup
Aber wir dürfen uns doch auch nicht in die Betten legen, als wüßten wir noch nichts! Wir können doch jetzt nicht schlafen gehen, während die Uhrzeiger erbarmungslos der Stunde näher rücken, in der es spätestens passieren soll: morgen mittag…«
Wieder schwiegen wir. Was sollte man ihm schon erwidern?
Wir waren ja alle seiner Meinung. Und wir waren auch alle genauso ratlos wie er.
Plötzlich hob Mr. High den Kopf.
»Es gibt noch eine vage Möglichkeit«, sagte er. »Vielleicht hat das Erfolg.«
Wir sprangen auf. Fast gleichzeitig stießen wir hervor: »Was denn, Chef?«
Mr. High deutete auf das Radio, das in einer Ecke seines großen Zimmers stand. »Wir müssen sämtliche Lokalsender von New York aufsuchen und den maßgebenden Männern erklären, um was es geht. Wir lassen schnell von dem Band noch ein paar weitere Aufnahmen machen und nehmen sie mit zu den Sendern. Bis morgen mittag muß man das aufgenommene Gespräch stündlich auf allen Sendern mindestens einmal bringen. Vielleicht wird die Frau selbst aus dem Text schlau und versteht, daß sie von den Gangstern gemeint ist!«
Phil sprang auf.
»Tatsächlich, Chef!« rief er aus. »Das wäre noch eine Chance. Wenigstens erst einmal theoretisch.«
»Nur hat die Sache zwei Haken«, warf ich ein.
»Welche, Jerry?« wollte Mr. High wissen.
»Zunächst ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Mörder von der Rundfunkmeldung auch etwas zu hören kriegen. Dann werden sie sich ihren Plan anders überlegen. Aus der Meldung können sie ja entnehmen, daß die Polizei nicht weiß, um welche Frau es sich handelt!« warf Phil ein. »Sonst wäre ja die Rundfunkmeldung überflüssig!«
»Richtig!« stimmte ich zu. »Das ist ja der Doppelhaken! Die Mörder werden entweder ruhig bleiben und die Geschichte erst einmal im Sand verlaufen lassen, um später darauf zurückzukommen, wenn sich die Öffentlichkeit längst wieder mit anderen Sensationen beschäftigt, oder sie werden kaltblütig den Mord trotzdem ausführen, nur mit erhöhter Vorsicht.«
»Das ist wahr«, sagte Mr. High. »Damit muß gerechnet werden. Aber wenn wir die Frau nicht über den Rundfunk zu warnen versuchen, wird sie auch umgebracht. Ich hoffe doch, daß die Frau aus dem Wortlaut des Telefongesprächs selbst schlau wird und dann umgehend die Polizei anruft, damit man sie beschützen kann. Das ist im Augenblick die einzige Möglichkeit, die ich sehe.«
»Dann wollen wir uns auf die Strümpfe machen und sofort alle Lokalsender aufsuchen«, schlug ich vor. »Wenn jeder von uns einen übernimmt, kommen wir schneller voran. Einverstanden, Phil?«
»Ich übernehme auch einen«, sagte Mr. High.
Wir überspielten in aller Eile die Tonbandaufnahme und setzten uns dann in verschiedene Wagen. Bis zur geplanten Durchführung des Mordes waren noch ungefähr zwölf Stunden.
***
Zwei Minuten vor Mitternacht unterbrach der Sender New York plötzlich seine Tanzmusik und gab eine Meldung durch. Der Sprecher sagte: »Achtung! Achtung! Das FBI fing im Laufe des heutigen Tages ein Telefongespräch auf, in dem offensichtlich von der Planung eines Mordes die Rede ist. Trotz aller Anstrengung ist es dem FBI nicht gelungen, zu ermitteln, von welcher Frau in dem Gespräch die Rede ist! Bürger, achtet auf den Text des Gangstergesprächs, den wir euch im Wortlaut bringen! Wer hat einen Verdacht, um wen es sich handeln könnte? Welche Frau glaubt, die Drohung auf sich beziehen zu müssen?«
Der Sprecher machte eine Pause. In der 57. Straße klappte eine Frau ihren Roman zu und lauschte.
»Ja, hallo? — Ja, hallo? — Hallo, ja? — Ich habe mir noch mal alles durch den Kopf gehen lassen. Die Frau muß weg. — Verdammt! — Es geht nicht anders. Sie kennt bestimmt die Dinger. — Aber deswegen gleich… — Idiot! Wie denn sonst?« —Schweigend verfolgte die Frau den Ablauf des Gesprächs.
Gräßlich, dachte sie. Daß es Menschen gibt, die ohne das leiseste Gefühl darüber reden können, wie sie einen anderen umbringen wollen. Und dann auch noch eine Frau! Womöglich hat sie Kinder… entsetzlich — entsetzlich, das Ganze…
Die Frau legte den Roman auf den Nachttisch, Jcnipste Radio und Lampe aus und kuschelte sich bequemer in die Kissen. Nach kurzer Zeit war sie eingeschlafen. Daß von ihr die Rede gewesen war, wußte sie nicht.
***
In der ganzen Nacht klingelte bei uns das Telefon. Etwa zwei Dutzend hysterische Frauen wußten ganz genau, daß von ihnen die Rede gewesen war. Wir suchten
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