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01 Nightfall - Schwingen der Nacht

01 Nightfall - Schwingen der Nacht

Titel: 01 Nightfall - Schwingen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Phoenix
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der sie jeweils minutenlang wortlos und eingehend betrachtete. Eine Aufnahme erregte ihre besondere Aufmerksamkeit. Sie zeigte einen lachenden Dante, den Arm um ein grinsendes Mädchen mit Sommersprossen und langem roten Haar gelegt, das ihm das Gesicht halb zuwandte. Dante musste etwa zwölf oder dreizehn Jahre alt gewesen sein, das Mädchen vielleicht acht oder neun.
    Sie hieß Chloe, und du hast sie getötet.
    Heather starrte auf das Bild und auf Dantes freudestrahlendes Gesicht. Es war das einzige Foto, auf dem er lachte – der große Bruder und Schutzengel eines anderes Kindes, das wie er in dem Labyrinth von Pflegefamilien und staatlicher Fürsorge gefangen war. Nachdem sie De Noir das Bild gegeben hatte, schob sie die CD ins Laufwerk des Laptops. Als sich ein Menü zeigte, scrollte sie zu dem Teil, der S UND CHLOE hieß, und klickte ihn an. Heimliche Filmaufnahmen zeigten sich kurz darauf auf dem Bildschirm.
     
    In einer verwaschenen Jeans und einem grauen T-Shirt sitzt Dante im Schneidersitz auf dem Boden, den Rücken gegen ein ordentlich gemachtes Bett gelehnt. Er liest konzentriert in einem Buch, das aufgeschlagen auf seinem Schoß liegt. Chloe sitzt in einer lavendelfarbenen Cordhose und einem blassrosa Sweatshirt mit einem Bild Winnie Poohs auf dem Bett und beobachtet ihn. Ihre Füße, die in Turnschuhen stecken, schlagen immer wieder gelangweilt gegen den Bettrahmen. Unter einem Arm hat sie einen Plüschorca.
    »Lies vor«, schlägt sie vor und wickelt sich eine rote Haarsträhne um den Finger.
    »Ge… mü… gemüüü… t… liiich… gemüüütliiich … gemütlich. «

    »Genau!«
    »Ja?« Dante lächelt erfreut.
    »Ja«, bestätigt Chloe, »und jetzt nochmal den ganzen Satz.«
    »Poohs Bett war gemütlich und … warm.«
    »Du lernst schnell«, sagt Chloe. »Wenn du tagsüber nicht schlafen müsstest, könntest du bestimmt in die Schule gehen und würdest nur Einsen bekommen – garantiert!«
    Dante schnaubt und wirft einen Blick über die Schulter. »Ich hätte immer nur Sechser.«
    »Warum?«, hakt Chloe nach, fasst sein Haar zu einem P ferdeschwanz zusammen und streicht es zwischen ihren Fingern glatt. »Warum nur Sechsen?«
    »Weil ich den Lehrern sagen würde, wie beschissen sie sind!«
    Sie kichert und presst eine Hand auf den Mund. »Dante-Engel! «
    Eine verschwommene Bewegung, dann steht Dante plötzlich vor dem Bett und beginnt, Chloe zu kitzeln. Sie kreischt vor Vergnügen, rollt auf dem Bett hin und her und trommelt mit den Turnschuhen auf die Matratze. Lachend hält er sich einen Arm vor den Brustkorb und versucht, sich vor ihren nun ebenfalls kitzelnden Fingern zu schützen.
    Er zieht den Orca unter Chloes Arm hervor und lässt das Plüschtier durch die Luft schwimmen, vorbei an ihren danach fassenden Händen. Dann hält er es vor ihre Nase und drückt es auf ihr Gesicht. »Mma, mma, mma!« Ein großer, feuchter Orcakuss.
    »Kann ich dein Haar bürsten, während du das Alphabet aufschreibst?«, fragt Chloe.
    »Klar«, meint Dante und gibt ihr lachend den Plüschwal zurück.
    »Junge, beweg deinen Arsch in den Keller, und zwar sofort! « Die Stimme eines Mannes – tief und mit dem typischen Bayou-Akzent des Südens – spricht aus dem Off. »Gleich
kommt Besuch, und da müssen wir dich fesseln. Du brauchst diesen ganzen Schulmist doch nicht für das, was du tust, Petit . Reine Zeitverschwendung.«
    Der Mann lacht – ein zigarettenheiseres Lachen, das sich in ein Husten verwandelt.
    »Du kannst mich mal«, sagt Dante. »Ich bin gleich da.«
    Chloes Lachen verschwindet, und sie setzt sich auf. Das Plüschtier presst sie gegen den rosa Pulli. »Lass ihn«, sagt sie mit scharfer Stimme. Sie runzelt die Augenbrauen – trotzig und wütend.
    »Sei still. Sonst setzt’s was.«
    Dante drückt einen Augenblick lang Chloes Knie. Sie klappt den Mund zu, statt zu antworten. Er sieht den Sprecher an. Jetzt ist jeglicher Ausdruck aus seinem Gesicht verschwunden. Doch in seinen dunklen Augen züngelt ein Feuer, das der Mann sehen, ja fühlen muss .
    »Du wirst mehr als Handschellen brauchen, um mich zu fesseln, wenn du sie anrührst«, sagt Dante leise und ausdruckslos.
    Noch ein zigarettenheiseres Lachen. »Hältst dich immer noch für was Besseres, was, Junge? Beweg deinen Arsch, oder ich schicke stattdessen die freche kleine M’selle in den Keller …«
    Dante dreht sich um und küsst Chloe auf die Stirn, streicht ihr das lange Haar aus dem Gesicht. »Gute Nacht, Prinzessin. Wir sehen uns

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