01 Nightfall - Schwingen der Nacht
seinen Hunger noch mehr an.
Sein Verlangen bohrte sich wie eine von Es Klingen in sein Inneres und quälte ihn. Er mischte sich unter die Tanzenden. Erhitzte, schweißtriefende Körper drängten sich gegen ihn, Blut rauschte durch ihre Venen, Herzen hämmerten in der Brust. Nicht hier. Er würde sich in einer düsteren Gasse an jemandem laben, an einem der Vergessenen, der Ungewollten. Als Fremder in einer bereits aufgeteilten Stadt wollte Ronin keine Aufmerksamkeit erregen. Er glitt durch die Menge und trat nach draußen in die kühle, regenfeuchte Nacht.
Der Llygad nickte ihm zu. Seine hinter dunklen Sonnenbrillengläsern versteckten Augen registrierten wahrscheinlich jedes Detail, denn seine Körpersprache wirkte nervös. Ronin nickte ihm ebenfalls zu. Warum hatte ein Llygad seine Unabhängigkeit aufgegeben und sich einem Haus verschrieben und arbeitete noch dazu als Türsteher?
»Wegen Dante«, murmelte Ronin.
Einem Blutgeborenen.
Er lief die feuchte Kopfsteinpflasterstraßen Richtung Canal Street entlang. Bei jeder verlorenen Seele, von der er in dieser Nacht trank, würde er Dante danken, denn dieser hatte seinen Durst, den er seit Jahren unterdrückt hatte, wieder geweckt.
5
AUF DIE HARTE TOUR
Nachdem der Styroporbecher endlich kühl genug war, um ihn anzufassen, nippte Heather an ihrem Milchkaffee. Der Sonnenaufgang verlieh dem grauen Horizont einen orangerosa Anstrich und vergoldete die Unterseite der Wolken. Sie gähnte und rieb sich das Gesicht. Der Durchsuchungsbefehl flatterte auf der Entlüftung des Armaturenbretts des Subaru Legacy. Sie schaltete die Heizung aus. Der Motor ihres Wagens klickte und brummte, als er sich abkühlte.
Heather parkte gegenüber von Dantes Plantagenhaus, mehrere Kilometer von New Orleans entfernt. Alte, rundgewaschene Steinblöcke und schwarzes Eisengitter umgaben das Haus. Auf dem Papier gehörte auch dieses Grundstück Lucien De Noir, doch ebenso wie der Club war es in Wahrheit Dantes, wie Heather vermutete. Dichtes Laubwerk und duftende Blüten rankten sich entlang der Mauern. Riesige Eichen spendeten dem Anwesen Schatten. Das schwarze Eisentor stand offen. In der runden Auffahrt parkten ein schwarzer Van, ein Harley-Chopper und ein kleiner schwarzer MG.
Heather sah auf die Uhr. Sechs Uhr dreißig. Etwa eine Stunde zuvor hatte sie gesehen, wie der Van in die Einfahrt gebogen war, gefolgt von Von auf der Harley. Der hübsche Punker war aus dem Van geklettert. De Noir hatte Dante wie ein Kind auf den Armen getragen. War er betrunken gewesen? Hatte sich
seine Migräne noch verschlimmert? Alle waren ins Haus gegangen. Die Tür hatte sich hinter ihnen geschlossen, und seitdem hatte sie niemanden mehr gesehen.
Der Anflug eines schlechten Gewissens quälte Heather. Migräne … sie erinnerte sich an Annies schmerzgeweitete Pupillen und ihre völlige Verzweiflung. Kopfschüttelnd blickte sie auf den Kaffeebecher in ihrer Hand und sah dann aus dem Fenster. Dante war nicht Annie, und sie konnte nichts daran ändern. Er hatte ihr keine Wahl gelassen.
Die Beziehung zwischen De Noir und Dante hatte etwas Bizarres an sich. Waren die beiden ein Paar? Sie hielt sich noch einmal die Ereignisse im Club Hell vor Augen und suchte nach Hinweisen. De Noir hatte gelogen, was Dantes Anwesenheit im Club betraf, und war zudem hinter diesem absurden Thron hervorgestürzt, als der Typ im Armani-Anzug die Stufen hinaufgerannt kam. Sie erinnerte sich, wie De Noir gesagt hatte: »Er leidet unter Migräne« und hörte wieder den fürsorglichen Tonfall seiner tiefen Stimme.
Nein, entschied Heather schließlich. Kein Paar. De Noir war fürsorglich und liebevoll gewesen, aber sie hatte zwischen den beiden keine sexuelle Spannung oder ein erotisches Knistern bemerkt. Sie schienen sich in der Gegenwart des anderen einfach wohlzufühlen. Wie alte Freunde.
Heather seufzte und nahm einen weiteren Schluck des rasch kälter werdenden Kaffees. Nein, da war etwas anderes zwischen De Noir und Dante. Unerfüllte Liebe? Möglicherweise. Geheim und niemals ausgesprochen – und zwar von De Noir. Er hatte Dante die ganze Zeit im Auge behalten, als sie zusammen gewesen war. Zumindest in der vergangenen Nacht.
Heather trank ihren Kaffee aus und warf den Becher auf den Boden vor dem Beifahrersitz. Sie hatte ziemlich viel Zeit und ihren ganzen Charme aufwenden müssen, um einen Richter von der Notwendigkeit eines Durchsuchungsbefehls zu
überzeugen. Wenn sie ehrlich war, nahm sie an, dass der Erfolg weniger mit
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