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01 Nightfall - Schwingen der Nacht

01 Nightfall - Schwingen der Nacht

Titel: 01 Nightfall - Schwingen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Phoenix
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der Fundamente, das sonnige Summen des Lebens hinter den geschlossenen Vorhängen.
    Lucien entspannte sich in seinem Sessel und begann, zu dösen oder auch zu meditieren. Minuten vergingen. Eine halbe Stunde. Das rosige Morgenlicht wurde langsam grau. Die Vorhänge verdunkelten sich. Regen prasselte auf die Dachziegel und auf den Steinplattenweg im Garten vor dem Haus.
    Durchdringender Zorn, der tiefe Schmerz alter Qualen, weckte ihn. Er hob den Kopf. Eine dunkle Vorahnung wand sich wie Stacheldraht um sein Rückgrat.
    Das Kind kämpfte nicht mehr gegen den Schlaf an. Jetzt war es hellwach.

7
NÄHER ALS JE ZUVOR
    Ihr nackter Körper lag mit dem Gesicht nach oben auf dem zerknüllten Bett, die Hände an die Bettpfosten gefesselt, die Beine gespreizt, einen schwarzen Strumpf um den Hals gelegt und zugezogen. Stichwunden übersäten ihre Brüste und ihren Bauch. Langes, dunkles Haar verbarg zum Teil ihr Gesicht, das der Tür zugewandt war. Blut und Schaum befleckten ihre Lippen, und ihre Zunge hing leicht heraus. Wimperntusche, Kajal und getrocknete Tränen waren über ihre Wangen verschmiert. Ihre halb geschlossenen Augen schienen auf Heather zu blicken.
    In beide milchweißen Innenseiten der Schenkel war das Anarchiezeichen geschnitten.
    Blut troff auf den Teppich. Heathers Augen folgten ihm zu den durchtränkten Leintüchern, den blutverschmierten Oberarmen bis zu den vertikal aufgeschlitzten Handgelenken. Jetzt sah sie nur noch die herabfallenden Blutstropfen. Gerade erst gestorben. Vor Minuten? Höchstens vor einer halben Stunde.
    An der Wand hinter dem Bett stand in Blut eine Nachricht – in unregelmäßigen, schrägen Buchstaben, die fast die ganze Wand bedeckten.
     
    WACH AUF S

    »Gina«, wisperte Dante.
    Heather sah ihn scharf an. »Sie kannten die Frau?«, fragte sie.
    Dante nickte, und Zweifel, Schock und etwas, das Heather nicht genau benennen konnte, standen ihm ins Gesicht geschrieben. Er tastete nach seiner Sonnenbrille, die er auf den Kopf hochgeschoben hatte, und setzte sie sich wieder auf die Nase.
    Heather nahm ihre Achtunddreißiger in die linke Hand und zog ihr Handy aus der Tasche. Hastig wählte sie die Nummer des achten Distrikts. »Hier Agent Wallace«, meldete sie sich, als jemand abnahm. »Im Club Hell in der St. Peter Street 666 hat es einen Mord gegeben.«
    Heather legte auf, ließ das Mobiltelefon wieder in die Tasche gleiten und richtete den Blick auf die regenfeuchten Vorhänge, die neben der offenen Balkontür herabhingen.
    Vielleicht war der Killer verschwunden, als sie den Club betreten hatten. Oder …
    Heather schob Dante beiseite, um eintreten zu können. »Bleiben Sie hier.«
    Oder vielleicht hatte er gar nicht mehr die Gelegenheit dazu gehabt.
    Die Achtunddreißiger wieder mit beiden Händen festhaltend, schlich Heather durchs Zimmer, vorbei an dem Bett mit der Ermordeten, zur Balkontür hinüber. Dort trat sie auf den Balkon hinaus, wobei sie in die Hocke ging und die Pistole auf das andere Ende richtete. Der nasse, glitschige Balkon war leer. Sie lehnte sich an das schwarze Eisengeländer und senkte die Waffe.
    Dann sah sie auf die Straße hinunter. Einige frühzeitig eingetroffene Mardi-Gras-Besucher wankten über den feuchten Gehsteig. Gelächter schlängelte sich zu ihr herauf wie Rauch.

    Heather wischte sich den Regen aus dem Gesicht und schloss für einen Augenblick die Augen. Zwei Morde an einem Ort. Noch eine Veränderung im Muster. Die Gewalt wurde schlimmer. Warum gerade jetzt und warum hier?
    Motorengeräusche ließen Heather die Augen wieder öffnen. Zwei Polizeiwagen kamen die enge Straße entlanggerast, gefolgt von einem Zivilfahrzeug mit Blaulicht. Alle drei kamen mit quietschenden Reifen vor dem Club zum Stehen. Als die uniformierten Polizisten ausgestiegen waren, machte sich Heather durch ein Handzeichen bemerkbar.
    »Hier oben!«, rief sie. »Die Tür ist offen.«
    Sie schob den Vorhang beiseite und trat wieder ins Zimmer. Dante war nicht stehen geblieben, wie sie ihm befohlen hatte. Er saß auf der blutdurchtränkten Matratze neben der Leiche des Mädchens. Seine Lederjacke hatte er über den Körper des Opfers gebreitet.
    »Gina – er hat gesagt, sie heiße Gina«, dachte sie.
    Heather konnte Dantes Gesicht nicht sehen; seine Aufmerksamkeit galt den aufgeschnittenen Handgelenken des Opfers. Die Hände hatte er zu Fäusten geballt. Der Blutgestank, das Echo von Gewalt und Angst, das noch im Raum widerhallte, der verschleierte Blick – nichts davon schien

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