010 - Skandal in Waverly Hall
sie anderen Sinnes wurde, das war ihr klar.
Aber sie konnte und wollte ihm nicht noch einmal vertrauen und ihn zurückholen.
Endlich drehte er sich um und verließ den Raum.
„Warte, St, Georges!"
Dominick galoppierte mit einem der besten Reitpferde des Herzogs einen der zahlreichen schnurgeraden Reitwege des Hyde Parks entlang. Den ganzen Vormittag war er Mitgliedern der feinen Gesellschaft begegnet, die Damen in Ein- und Zweispännern, die Herren zu Pferde. Er hatte niemanden beachtet, obwohl fast jeder ihn anhalten und mit ihm reden wollte. Seine plötzliche Rückkehr nach London und das erste Auftauchen seiner Frau in der Hauptstadt hatten für allgemeine Aufmerksamkeit gesorgt und Anlaß zu etlichen Spekulationen gegeben.
Dominick war beim besten Willen nicht nach unverbindlichem Geplauder zumute. Es war ihm egal, was die Klatschmäuler als neueste Nachricht verbreiteten. Früher oder später würde die feine Gesellschaft doch erfahren, daß Anne und er sich noch immer fremd waren.
Der andere Reiter rief erneut seinen Namen. Dominick erkannte die Stimme seines besten Freundes und verlangsamte den Schritt seines Braunen.
Blake schloß auf einem lebhaften rabenschwarzen Wallach zu ihm auf. In seinem schwarzen Reitmantel und den hell-braunen Reithosen machte er eine tadellose Figur. „Ich bin seit zehn Minuten hinter dir her, alter Knabe", erklärte er. Plötzlich bemerkte er Dominicks Miene. „Was ist passiert?"
„Ich brauche einen Drink", stellte Dominick grimmig fest.
„Es ist noch nicht einmal Mittag."
„Das ist mir egal."
Blake nickte. Sie wendeten die Pferde und kehrten zum Eingang des Parks zurück.
Beide beachteten die eleganten Damen nicht, die ihnen unverhohlen nachsahen.
Blake warf Dominick einen neugierigen Blick zu, stellte aber keine Fragen. Sie ritten die Oxford Street entlang und erreichten nach einer Weile die Pall Mall.
„Ich dachte, du wärst noch auf dem Land", sagte Dominick endlich, als sie vor ihrem Club abstiegen. Er befand sich in einem stattlichen Backsteingebäude, vier Stockwerke hoch und mit einem Säulengiebel an der Vorderseite.
Blake verzog das Gesicht. „Eine Woche habe ich Lady Reed den Hof gemacht. Jetzt langt es mir. Dabei bin ich noch verrückter nach ihr als je zuvor."
Dominick sah den Freund aus dem Augenwinkel an. „Ausgerechnet du hattest keinen Erfolg bei Felicity?"
„Sie ist scharf auf dich, alter Knabe. Das weißt du genau."
„Aber meine Interessen liegen woanders", antwortete Dominick ruhig, während sie die wenigen Steinstufen hinaufstiegen und von einem livrierten Portier eingelassen wurden. Im holzgetäfelten Foyer blieben sie stehen.
„Ja, das ist unübersehbar", sagte Blake mitfühlend.
Dominick wandte sich ab, denn er fürchtete, sein Schmerz wäre zu offensichtlich.
Blake legte die Hand auf seinen Arm. „Sie liebt dich ebenfalls, Dominick."
„Nein, nicht mehr." Dominick versuchte zu lächeln, doch es gelang ihm nicht. „So elend wie jetzt habe ich mich noch nie gefühlt. Wenn das Liebe sein soll, ist es etwas Furchtbares."
Blake konnte nicht umhin und lächelte. „Ich bin sicher, daß du Anne dazu bringen wirst, dir zu vergeben, ganz gleich, was du angestellt hast."
„Diesmal nicht."
„Du willst also aufgeben und zulassen, daß eine Schurke wie Patrick Collins sie sich schnappt?"
Dominick erstarrte ein wenig.
„Collins liebt sie ebenfalls. Nein, entschuldige, er begehrt sie. Ich bin nicht sicher, ob er sie auch liebt", sagte der Freund.
„Das ist mir klar. Patrick ist Anne die letzten vier Jahre nicht von der Seite gewichen."
„So erzählt man sich. Er ist übrigens ebenfalls in London. Ich sah ihn heute morgen durch den Hyde Park reiten, bevor ich dich entdeckte."
Dominicks Miene wurde noch finsterer. Er konnte sich gut vorstellen, was Patrick in die Stadt geführt hatte. „Verdammt", sagte er wütend. Vielleicht hatte er Anne tatsächlich verloren. Aber er würde nicht zulassen, daß sie sich von einem anderen Mann trösten ließ. Niemals.
„So ist es schon besser", meinte Blake gutmütig. „Ich rate dir dringend, etwas zu tun, um die Aufmerksamkeit deiner Frau zurückzugewinnen. Vielleicht solltest du sie eifersüchtig machen. Neulich abend in Waverly Hall war sie fuchsteufelswild auf Felicity."
Dominick zögerte sichtbar.
„Dominick", drängte ihn der Freund. „Patrick Collins ist nicht zu trauen. Laß dir etwas einfallen. Und zwar schnell."
Dominick antwortete immer noch nicht. Plötzlich erinnerte
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