010 - Skandal in Waverly Hall
aufgewachsen. Sein Großvater hätte niemals zugelassen, daß er Philips Erbe antrat - und damit eines Tages das Erbe des Herzogtums -, wenn er in Wirklichkeit kein St. Georges war.
Außerdem sah er wie ein St. Georges aus. Die Männer der St. Georges' waren bekannt für ihr goldblondes Haar, ihre topasfarbenen Augen und ihr auffallend gutes Aussehen. Als kleiner Junge und auch später im Leben hatte er die Leute immer wieder sagen hören, er wäre durch und durch ein St. Georges.
Damit erledigte sich die absurde Frage nach der Vaterschaft von allein. Es wäre ein unglaublicher Zufall, wenn er die Züge der St. Georges' trüge, obwohl Philip nicht sein Vater war.
Also hatte Philip ihn wegen Ciarisse verabscheut und nicht, weil er kein leiblicher Sohn war. So mußte es gewesen sein. Trotzdem war Dominick nicht ganz von der Wahrheit überzeugt.
War er ein St. Georges, oder war er ein Bastard?
Dominick betrachtete erneut sein Spiegelbild. Normalerweise glaubte er nicht an Zufälle. Diesmal wollte er auf keinen Fall daran glauben. Er hatte viel zuviel Angst davor.
Er schloß die Augen und bekam plötzlich kaum noch Luft. Ihm war, als könnte seine Brust jeden Moment zerspringen. Am liebsten wäre er zu seiner Mutter gelaufen und hätte sie unverzüglich um eine Erklärung gebeten. Aber was sollte er sagen? „Bitte verzeih, Mutter. Warst du Vater tatsächlich untreu, wie er behauptet? Und wenn ja, ist es vor eurer Heirat gewesen oder hinterher?" Ciarisse hätte jedes Recht, solch eine ungebührliche Frage weit von sich zu weisen.
Andererseits war die Frage nicht aus der Luft gegriffen. Sein eigener Vater hatte sie aufgeworfen. Wenn er, Domi-nick, nicht Dominick St. Georges war, wenn Philip nicht sein leiblicher Vater war, war Rutherford auch nicht sein Großvater. Dann stand ihm Waverly Hall nicht durch Geburt zu. Dann war er weder der Marquess of Waverly, noch der Earl of Campton and Highglow, der Baron of Feldstone oder der Viscount Lyons. Er war weder Philips Erbe - noch Rutherfords Erbe.
Wenn er nicht Dominick St. Georges war, war sein ganzes Leben ein Scherbenhaufen. Ein einziger gewaltiger Scherbenhaufen - und nichts weiter.
13. KAPITEL
„Guten Morgen, Mama."
Edna Collins sah verblüfft auf. Sie saß mit ihrem Sohn an dem ovalen Eßtisch und hatte einen wohlgefüllten Teller mit Speck, Eiern und Toast vor sich. „Du bist schon früh auf, Fe-licity."
Felicity küßte ihre Mutter auf die Wange. Sie trug einen lavendelblauen seidenen Hausmantel mit einem purpurfarbenen Muster sowie farblich passende Satinslipper.
„Ja, das bin ich", stimmte sie fröhlich zu und lächelte ihren Bruder an. „Guten Morgen, Patrick."
Patrick betrachtete sie neugierig. „Laß mich raten. Du möchtest mich nach Waverly Hall begleiten."
Felicity beugte sich lachend über den Tisch. Sie nahm ein weiches Brötchen aus dem Brotkorb und pickte mit den Fingern an den braunen Rosinen. „Ich verspreche, daß ich mich nicht verspäten werde. Meine Zofe legt schon das Kleid für mich zurecht."
Ihr Bruder zuckte achtlos die Schultern. „Ich fahre um halb zehn los. Wenn du fertig bist, habe ich nichts dagegen, daß du mitkommst."
„Wunderbar", sagte Felicity und ließ sich auf den Stuhl neben ihm fallen.
„Was geht hier vor, Felicity?" fragte Edna nicht gerade freundlich. Ihr gewaltiger Busen wogte. „Was denkst du dir dabei?"
Felicity steckte eine Rosine in den Mund und kaute genüßlich. „Ich bin eine erwachsene Frau, Mama. Außerdem reich und unabhängig. Wenn Dominick ein bißchen Trost braucht, weshalb sollte ich ihm den nicht geben?"
Edna stand verärgert auf. „Du hast also vor, sein Bett zu wärmen, nachdem er wieder zu Hause ist? Habe ich dich dazu erzogen, wie deine Cousine eine gemeine Dirne zu werden?"
Felicity ließ sich nicht beirren. „Hör zu, Mama, ich bin keine unschuldige Jungfrau mehr. Weder du noch sonst jemand auf der Welt kann mir vorschreiben, was ich zu tun oder zu lassen habe." Sie lächelte ihren Bruder an, der sich nicht an dem Streit zwischen Mutter und Tochter beteiligte.
„Dein nächster Ehemann wird dich an die Leine legen müssen", warnte Edna ihre Tochter. „Ich bezweifle, daß er dein unschickliches Benehmen toleriert."
Felicity stand auf und gähnte träge. „Es wird keinen zweiten Ehemann für mich geben, Mama. Weshalb sollte ich wieder heiraten? Ich bin reich, jung und hübsch.
Und ich kann tun und lassen, was ich will. Ich wäre schön dumm, wenn ich irgendeinen Kerl
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