0108 - Mord auf Tonband
Mann ein Paket bei sich?«
»Nein, nichts. Das hätte ich gesehen.« Ich holte das Foto aus der Tasche und zeigte es ihm.
»Bist du ganz sicher, daß er es war?«
»Es gehört zu unserem Beruf, Gesichter zu behalten«, meinte er in überlegenem Ton. »Wen ich einmal gesehen habe, den kenne ich immer wieder.«
»Ist er nochmals zurückgekommen?« wollte ich wissen.
»Nicht, solange ich Dienst hatte, aber ich bin ja nicht immer da.«
Das war alles, aber es bestätigte meinen bisher ungerechtfertigten Verdacht der Bilderdieb Lejaune habe mit dem Millionär Vanderkruit in Verbindung gestanden, und das konnte nur eines bedeuten, nämlich, daß er ihm etwas zum Kauf angeboten hatte. Ich mußte dem Jungen nochmals feierlichst versprechen, ihn nicht zu nennen, und dann gingen Phil und ich zu Mr. High. Wir legten ihm die Sache dar und baten um seinen Rat.
Der Chef fuhr sich über das Haar und überlegte.
»Das ist natürlich eine delikate Angelegenheit, aber machen Sie dem Herrn ruhig einen Besuch. Sie brauchen ihn ja nicht gerade zu beschuldigen, er habe gestohlene Bilder gekauft oder kaufen wollen. Sagen Sie ihm, es sei beobachtet worden, daß ein notorischer Bilderdieb ihn aufgesucht habe, und tun Sie so, als ob Sie ihn- warnen wollten. Das dürfte die beste Manier sein, um vielleicht etwas zu erfahren. Seien Sie jedenfalls äußerst Vorsichtig. Ich möchte keinen Ärger haben.«
Wir versprachen, den Multimillionär zu behandeln wie ein rohes Ei. Es war inzwischen halb elf geworden, also genau die Zeit, zu der man bei hohen Herrschaften Visite macht.
Als wir im Hilton nach Mr. Vanderkruit fragten, erregte das allgemeines Entsetzen. Der Empfangschef suchte uns klarzumachen, daß niemand vorgelassen werde, der sich nicht mindestens drei Tage vorher angemeldet habe und durch die Sekretärin auf Herz und Nieren geprüft worden sei. Ich mußte sehr energisch werden, damit er uns wenigstens bei dieser meldete. Er redete stundenlang, und da er das Gespräch von einer schalldichten Zelle aus erledigte, konnten wir leider nichts verstehen.
»Miß Fly will Sie ausnahmsweise empfangen«,'verkündete er dann großzügig und winkte einem der Boys, der uns nach oben brachte.
Mein kleiner Freund vom Morgen war unsichtbar. Wahrscheinlich hatte er seinen freien Tag.
Miß Fly begrüßte uns mit süßsaurem Lächeln.
»Bitte nehmen Sie Platz. Wie man mir sagte, sind Sie Beamte des Federal Bureau of Investigation?«
»Ja, G-men.« Wir schoben unsere Ausweise hinüber, die sie gar nicht ansah.
»In welcher Angelegenheit wünschen Sie Mr. Vanderkruit zu sprechen?« Sie nahm eine Art Anmeldeblock und zückte ihren Kugelschreiber.
»Die Unterredung, die wir mit Mr. Vanderkruit zu haben wünschen, trägt privaten und persönlichen Charakter«, nahm Phil das Wort, der sich, wenn es darauf ankommt, geschmeidiger auszu-' drücken versteht. »Wir können Ihnen darüber leider keine Angaben machen. Sagen Sie Mister Vanderkruit, daß zwei Beamte des FBI ihm ihre Aufwartung zu machen beabsichtigen. Ich glaube, das wird genügen.«
Sie schnappte kurz nach Luft, und ich glaubte schon, sie wolle den Versuch machen, uns hinauszuwerfen, aber sie tat es nicht. Sie sog nachdenklich an ihrer Unterlippe, schien einen Entschluß zu fassen, griff nach dem Telefon, aber unterließ auch das und verschwand mit einer gemurmelten Entschuldigung durch die riesige Doppeltür ins Nebenzimmer. Es dauerte gar nicht lange, bis sie zurückkam.
»Mr. Vanderkruit läßt bitten.«
Der grauhaarige Herr saß an einem mächtigen Schreibtisch und hatte eine Flasche Black and White nebst Glas und Eiswürfel griffbereit neben sich stehen. Das machte ihn mir schon sympathischer.
»Hello, Boys!« grüßte er jovial lächelnd und streckte uns eine kräftige braune Hand entgegen. »Setzen Sie sich. Trinken Sie?«
»Mit Vergnügen, Mr. Vanderkruit. Es wäre' jedenfalls der erste Scotch, den wir ablehnen.«
Er langte nach rechts, holte noch zwei Gläser aus dem Schreibtisch, warf ein wenig Eis hinein und gab einen großzügigen Schuß Whisky dazu.
»Was ist los? Was habe ich ausgefressen?« fragte er lachend.
Ich kam zur Sache.
»Vor drei Tagen wurde im Crotona Park ein gewisser Lejaune ermordet. Dieser Lejaune hat vor einem Jahr in Paris ein kostbares Gemälde, einen Frans Hals, gestohlen. Dieses Gemälde ist bisher nicht wieder aufgetaucht. Der gleiche Mann war vor vier Tagen hier bei Ihnen und hat mit Ihnen gesprochen. Wir haben das größte Interesse daran, zu
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