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011 - Das Mädchen in der Pestgrube

011 - Das Mädchen in der Pestgrube

Titel: 011 - Das Mädchen in der Pestgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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zogen den Leiterwagen. Ihre Brust war nackt. Der Schweiß lief in breiten Strömen über ihre Gesichter, die Haare schimmerten feucht.
    Ich folgte dem Wagen. Er war voll mit Toten. Es mußten mehr als ein Dutzend sein. Und plötzlich wußte ich, wo ich mich befand.
    Es war der Grüne Markt, der jetzt Graben heißt. Der Karren wurde am Elefantenhaus und an der Dreifaltigkeitssäule vorbeigezogen. Der Stephansdom und der Friedhof kamen in Sicht.
    Ich wandte den Kopf. Hinter uns fuhren noch einige Leiterwagen, die ebenfalls von halbnackten Sträflingen gezogen wurden. Und dann lag die gewaltige Grube vor uns. Die Sonne stand hoch am Himmel. Der Wagen hielt, und die Seitenwände wurden heruntergeklappt. Einige Männer mit langen Stangen tauchten auf.
    Ich trat an den Grubenrand. Hunderte von Toten lagen darin. Die Männer stießen mit den langen Stangen nach den Toten, die auf dem Wagen lagen. Einer nach dem anderen fiel in die Grube hinunter. Ihre Gesichter waren aufgedunsen und mit schwarzen Flecken übersät. Eine Hand streckte sich mir entgegen, und ich kam näher. Die Hand war klein und weiß und wollte nach mir greifen. Entsetzt trat ich zurück. Die Gestalt richtete sich auf. Das lange blonde Haar floß über die schmalen Schultern, die großen braunen Augen blickten mich hilfesuchend an.
    »Steffi!« schrie ich, doch niemand hörte mich. »Steffi!«
    Die junge Frau setzte sich auf. Ihr weißes Hemd und der lange grüne Rock waren zerfetzt. Eine Stange stieß gegen ihre Brust. Sie wollte die Stange abwehren, doch plötzlich waren es zwei, drei, ein Dutzend Stangen. Sie schrie, doch niemand hörte auf sie. Unerbittlich stießen die Stangen auf sie ein.
    Sie streckte mir nochmals die Hände entgegen, dann fiel sie vom Wagen. Sie drehte sich um die eigene Achse und klammerte sich am Grubenrand fest, doch die Stangen stießen nach ihren kleinen Händen. Sie fiel in die Tiefe. Der weite Rock bauschte sich auf, dann verschwand sie in der Masse der Toten, die Hände hilfesuchend emporgestreckt. Immer mehr Tote wurden in die Grube geworfen, bis sie gefüllt war.
    Langsam verblaßte das Bild. Wieder war Dunkelheit um mich. Eisige Hände hoben mich hoch. Mein Körper wurde wie im Fieber geschüttelt.

    »Dorian!«
    Die Stimme war kaum zu hören.
    »Dorian!«
    Ich wollte die Augen öffnen, doch meine Lider waren wie Blei. Ich wollte schreien, wollte das eben Gesehene verdrängen, wollte zurück in die Dunkelheit, doch die Stimme ließ nicht locker.
    »Dorian Hunter, so wachen Sie doch endlich auf!« Jemand packte meine Schulter.
    »Nicht«, sagte ich schwach. »Nicht.«
    Die Hand verschwand. Ich öffnete die Augen – und da war sie. Steffi! Sie atmete schwach. Ich griff nach ihrer Hand. Sie war eiskalt.
    »Was war mit Ihnen los, Dorian?« fragte Helnwein. »Sie sind bleich wie ein Leinentuch.«
    Ich blickte ihn an und schloß wieder die Augen. »Ich … war fort«, sagte ich stockend. »Unendlich weit fort. War ich ohnmächtig?«
    »Ja«, sagte Helnwein. »Mehrere Minuten lang. Sie sahen erschreckend aus. Sie schrien, Ihr Gesicht verzerrte sich, und Sie hatten Schweißausbrüche. Haben Sie etwas geträumt?«
    Ich fuhr mir mit der Hand über die Stirn. »Ich weiß nicht, ob es ein Traum war«, sagte ich schwach. »Alles war so real.« Ich blickte Stephanie an. »Ich sah, wie man sie in eine Pestgrube warf. Es war ein entsetzlicher Anblick.«
    »In eine Pestgrube?« fragte Helnwein überrascht. »Aber das … Wo befand sich diese Pestgrube?«
    »Vor dem Dom«, sagte ich. »Es war eine riesige Grube. Zu Dutzenden wurden die Leichen hineingeworfen. Und diese Frau war darunter. Aber sie war nicht tot. Sie streckte mir die Hände entgegen.«
    »Wo befand sich diese Grube? Die genaue Stelle! Reden Sie!«
    »Ungefähr dort, wo die Kärntnerstraße beginnt«, sagte ich.
    »Was trug die Frau?« fragte Helnwein.
    Seine Stimme klang erregt.
    »Ein weißes Hemd und einen grünen Rock«, sagte ich und bemerkte, daß Helnwein rascher atmete. »Was ist los mit Ihnen?« fragte ich.
    »Sie trug ein zerrissenes weißes Hemd und einen zerfetzten grünen Rock, als ich sie fand.«
    Ich schluckte kurz. Die Müdigkeit schwand langsam aus meinen Knochen. Mein Geist war aber immer noch alles andere als rege. Ich versuchte mich zu konzentrieren, was mir mit einiger Anstrengung schließlich gelang.
    »Die Vorstellung ist zu absurd«, murmelte ich. »Sie meinen, daß Steffi tatsächlich in der Pestgrube begraben wurde und nun bei den Bauarbeiten zum

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