0111 - Die grausamen Ritter
setzte sich in Bewegung. Nicht zu langsam, aber auch nicht zu hastig schritt er die Stufen hinunter. Er war ein Typ, der wußte, was er wollte, und wahrscheinlich hatte er hier im Ort das große Sagen.
Er schaute nicht nach rechts und auch nicht nach links, stolz schritt er durch die Gasse. Der Mann war mit einer derben Cordhose und einer halblangen Jacke bekleidet. Die Nase mit dem scharfen Rücken sprang hart aus dem Gesicht hervor.
Und plötzlich wußte ich auch, was mich unter anderem stutzig gemacht hatte.
In diesem Ort gab es keine Kinder.
Seltsam…
Solch einen Ort hatte ich noch nie gesehen. Überhaupt gefiel mir die Atmosphäre nicht. Ich sah keine Kirchturmspitze und auch keine Kapelle.
Und das im katholischen Schottland. Wo waren wir hier gelandet? Ich warf Suko einen raschen Blick zu. Mittlerweile kannte ich meinen Partner lange genug, um seinen Gesichtsausdruck deuten zu können. Der Chinese fühlte sich ebenfalls nicht wohl. Er sagte jedoch nichts, auch ich schwieg, denn ich wollte erst einmal abwarten.
Zwei Schritte vor uns blieb der Mann stehen. Zu Shao hin verbeugte er sich leicht, dann schaute er mich an.
»Ihre Namen habe ich vernommen«, sagte er. »Und ich habe auch gehört, aus welchem Grunde Sie zu uns gekommen sind. Damit heiße ich Sie willkommen.«
»Danke«, erwiderte ich, »das ist sehr nett von Ihnen. Sind Sie hier der Bürgermeister, Mister…?« Hinter das Mister setzte ich noch ein Fragezeichen.
Der Mann lächelte. »Ich bin so etwas Ähnliches wie der Bürgermeister, Mr. Sinclair. Mein Name ist übrigens King Cutler.«
»King?«
»Ja. So nennt man mich.«
Ich lächelte. »Nun, warum nicht. Da Sie ja den Grund unseres Kommens inzwischen kennen, möchte ich gern von Ihnen wissen, wie Sie dazu stehen?«
»Ich bewundere Ihren Mut.«
»Wirklich?«
Er nickte. »Sicherlich. Es verirren sich selten Fremde in unseren Ort.«
Ich hob die rechte Hand und wies in die Runde. »Nun, eigentlich hatten wir gar nicht vor, uns hier in Gulbine aufzuhalten. Wir sind auf der Suche nach der Burg. Uns geht es um diese Ritter, die schon genug Schaden angerichtet haben, und da hörten wir, daß jemand aus Gulbine uns helfen könnte.«
»Wer?« fragte er.
»Ein Schäfer. Er soll die Ritter gesehen haben und vielleicht mehr über sie wissen.«
King Cutler nickte. »Das ist möglich«, erwiderte er. »Aber ich glaube nicht an die Existenz dieser reitenden Mordgesellen. Keiner von uns glaubt daran, wir haben sie nämlich noch nicht zu Gesicht bekommen, und die alte Burg ist längst verfallen. Das können Sie mir glauben, Mr. Sinclair.«
»Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erklärte, daß wir die Ritter gesehen haben?«
Er schwieg eine Weile. »Ich wäre, zumindest skeptisch.«
»Das brauchen Sie nicht zu sein. Ich kann Ihnen versichern, daß wir die Ritter mit unseren eigenen Augen gesehen haben. Sie überfielen eine Wagenkolonne auf dem Motorway.«
»Haben Sie sich das nicht eingebildet?«
»Nein!« Meine Antwort klang scharf.
»Gut, wie Sie meinen. Was haben Sie jetzt vor? Wie gesagt, Sie und Ihre Freunde sind willkommen.«
»Dafür danke ich Ihnen. Allerdings möchte ich bei meinem Vorsatz bleiben und mit dem Schäfer sprechen. Können Sie vielleicht ein Gespräch mit ihm vermitteln?«
»Das geht schlecht.« Er drehte sich halb und deutete den Berghang hoch. Dabei hob er den Arm und streckte den Zeigefinger aus.
»Sehen Sie dort oben die kleine Hütte?«
Ich schaute genau hin und nickte dann. »Dort lebt er.«
»Das heißt, ich müßte hochsteigen?«
»Es wird Ihnen nichts anderes übrigbleiben, Mr. Sinclair.« Ich schaute Suko an. »Wie ist es? Bleibt ihr hier?«
Shao sagte ja. Damit war der Chinese ebenfalls einverstanden.
King Cutler hatte noch eine Frage. »Warum interessieren Sie sich eigentlich für die Ritter?«
Ich weiß heute noch nicht, warum ich die Wahrheit verschwieg und nichts von meinem Job sagte, sondern mir eine Ausrede einfallen ließ. »Reine Neugierde, Mr. Cutler.«
»Die oft gefährlich sein kann.«
»Das klingt nach einer Warnung.«
»Nur nach einem Rat, Mr. Sinclair.«
»Danke.« Ich hatte das Gefühl, daß King Cutler noch etwas sagen wollte, doch er unterließ es. Er nickte mir noch einmal zu, drehte sich um und ging wieder zu seinem Haus zurück. Auch die Menschen verstreuten sich allmählich. Zwar wurden uns hin und wieder noch Blicke zugeworfen, mehr aber nicht.
»Ein seltsamer Ort«, meinte Suko.
Und Shao sagte: »Da kann man richtig
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