0111 - Die grausamen Ritter
Angst bekommen.«
»Komisch ist es schon«, gab ich beiden recht. »Mir kommt es vor, als hätten die Leute hier ein Geheimnis, das sie auf keinen Fall preisgeben möchten.«
»Du denkst an die Ritter?« vermutete Shao.
Ich schaute sie an. Shao trug eine rote Cordhose, modisch eng an den Waden geschnitten, und eine dieser dreiviertellangen Strickjacken. Das Haar fiel ihr lang auf den Rücken. »Nicht nur an die Ritter, Shao. Vielleicht ist es noch etwas anderes.«
»Wie kommst du darauf?« fragte Suko.
»Nur so.«
Der Chinese lachte. »Du bist gut. Das nimmt dir keiner ab. Da müßte man schon Beweise haben.«
»Wer hindert uns daran, sie zu suchen? Ist dir eigentlich nicht aufgefallen, daß es in Gulbine keine einzige Kirche gibt? Da stimmt etwas nicht, das sag ich dir. Und auch die Kinder fehlen. Nur Erwachsene.«
Suko hob die Schultern. »Eine Erklärung habe ich nicht, John. Aber du hast einen schönen Weg vor dir.«
»Gern lasse ich euch nicht allein.«
»Wir werden uns schon zu helfen wissen.«
»Wo wollt ihr warten?« fragte ich.
Suko deutete über die Schulter. »Dieses graue Haus sieht mir nach einer Kneipe aus. Wenn wir da nicht sind, findest du uns im Dorf. Wir sehen uns mal um.«
Ich nickte. Dann verabschiedete ich mich von den beiden. Suko und Shao schauten mir nach, bis ich zwischen zwei Häusern verschwunden war.
Aber auch andere Augenpaare beobachteten mich. Und keiner von uns sah, daß manche Gesichter zu haßverzerrten Fratzen geworden waren…
***
Hinter den Häusern ging es direkt steil bergauf. Ein paar kümmerliche Gärten waren angelegt worden, doch in diesem rauhen Bergklima wuchs kaum etwas.
Noch schritt ich über grüne Matten, nur hin und wieder lugten Steine aus dem Boden. Ein kleines Wasserrinnsal floß mir entgegen und lief über meine Schuhe.
Ich trage immer festes Schuhwerk, und das kam mir auch jetzt zugute. Ohne große Schwierigkeiten konnte ich den Berg hinaufsteigen. Wenn es einmal zu rutschig wurde, stützte ich mich an den Steinen ab.
Das Dorf blieb hinter mir zurück. Manchmal warf ich einen Blick nach unten, sah den Bentley auf der Straße stehen, doch von Suko und Shao war nichts zu sehen.
Wahrscheinlich saßen sie schon in der Gaststube.
Ich stieg weiter.
Die ersten Schafe gerieten in meine Nähe. Sie blökten mich an, andere weideten an dem kargen Gras und ließen sich nicht stören.
Beinahe wütend rupften sie es aus dem Boden.
Zwei Hunde mit fleckigem Fell umkreisten in großem Abstand die Herde. Die Hunde gerieten auch in meine Nähe und kamen so dicht heran, daß ich stehenblieb.
Der eine öffnete sein Maul.
Die Zähne sahen nicht gerade vertrauenerweckend aus. Ich lächelte die Tierchen an. Sie schnüffelten, mein Geruch schien sie nicht zu warnen, denn sie zogen sich friedlich wieder zurück.
Ich atmete auf.
Bis zur Hütte hatte ich es nicht mehr weit. Und auch die Schafe kümmerten sich nicht um mich. An eine Atemtechnik hatte ich mich gewöhnt, so daß mir das Steigen nicht viel ausmachte.
Hin und wieder warf ich einen Blick in die Runde.
Von der Burg war nichts zu sehen. Sie mußte wohl hinter dem Berg liegen, den ich augenblicklich erklomm. Als Entschädigung bot sich meinen Augen eine prächtige Landschaft. Berge, Hügel, weite Täler. Außer Gulbine sah ich kein anderes Dorf. Dafür erkannte ich in der Ferne den Wald als dunkle Streifen.
Eine Gegend zum Ausspannen. Wirklich etwas für Individualisten. Wenn nur nicht mein dummes Gefühl gewesen wäre…
Noch ein paar Schritte, dann hatte ich die Hütte erreicht. Sie war wirklich primitiv. Gebaut aus Brettern und Baumstämmen, mit einem windschiefen Holzdach versehen, das ein ganzes Stück vorsprang und Ähnlichkeiten mit den Almhütten der Alpen aufwies.
Von dem Schäfer sah ich keine Nasenspitze.
Ich schritt einmal um die Hütte herum. An der Westseite, wo der Regen voll hintraf, zeigte das Holz große Nässeflecken. Hinter der Hütte war Holz am Berg hoch gestapelt.
Bis auf das Blöken der Schafe hörte ich kein Geräusch. Mein Blick fiel zurück in das Hochtal.
Dort unten lag Gulbine.
Ich sah die jetzt klein wirkenden Häuser, die Straße, einige Menschen - und… Verdammt, da stimmte doch was nicht. Irgend etwas war anders als vorhin. Ich schaute genauer hin, erfaßte mit meinem Blick jedes Detail, und da wußte ich Bescheid, was anders war.
Ich sah meinen Wagen nicht mehr.
Er war weg - verschwunden!
Das gab es doch nicht. Sollten Suko und Shao etwa einen kleinen Ausflug
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