0129 - Der Zyklop aus der Hölle
reagierte, wie viele andere es in seiner Situation auch getan hätten.
Er drehte sich um und schaute zur Tür.
Dabei verrutschte die Gewehrmündung. Sie drückte nun nicht mehr voll gegen meine Kehle.
Meine rechte Handkante war wie ein Hammer. Sie wuchtete gegen den Lauf und hämmerte ihn zur Seite.
In einem Reflex drückte Nese ab, doch die Kugel schlug in den Fußboden.
Bevor Nese sich noch auf die neue Situation einstellen konnte, packte ich das Gewehr am Lauf und riß die Waffe dem Kerl aus beiden Händen.
Endlich konnte ich mal etwas tun. Bisher war ich nur zweiter Sieger gewesen, jetzt ging es zur Sache.
Ich wuchtete Nese den Kolben vor die Brust. Doch er griff im Reflex zu, bekam den Schaft zu packen und riß mir das Gewehr aus der Hand.
Es krachte gegen die Wand und blieb dort liegen.
Nese hechtete sofort darauf zu. Einen irren Schrei stieß er aus, aber auch ich war nicht faul. Mit einem Sprung kam ich vom Boden hoch und warf mich in seine Richtung.
Wir prallten zusammen. Nese hatte schon den Arm langgemacht, um die Knarre zu packen, da hieb ich ihm meine Faust gegen den Unterkiefer. Er grunzte und wankte zurück.
Sofort setzte ich nach.
Nese hatte beide Arme ausgebreitet, war deckungslos, und ich traf ihn hart oberhalb der Gürtellinie.
Stöhnend preßte er beide Hände gegen den Leib. Die nächste Gerade erwischte ihn am Kinn.
Der Wachtmeister wurde zu Boden geschleudert und rollte einmal um die eigene Achse.
Zuckend blieb er liegen.
Ich atmete tief aus.
War es geschafft?
Nein, er hatte mich reingelegt. Der Kerl konnte unheimlich einstecken. Plötzlich schwang er sich hoch, und in der rechten Hand hielt er meine Beretta. Dieser Typ hatte sich genau auf die Waffe fallen lassen.
Und er feuerte sofort.
Wahrscheinlich hatte er noch nie in seinem Leben mit einer Pistole geschossen, denn er verriß den Schuß, und die Kugel zischte an meinem Hals vorbei.
Zu einem zweiten Schuß ließ ich ihn nicht kommen. Ich hatte die Nase voll und wollte nicht in diesem einsam stehenden Haus im Moor elendig zugrunde gehen.
Ich drehte mich ein wenig, und dann schleuderte ich mein rechtes Bein vor.
Es war ein harter, gut gezielter Tritt. Wachtmeister Nese wurde die Beretta aus den Fingern katapultiert. Sie drehte sich ein paarmal in der Luft, bevor sie zu Boden prallte.
Nese schaute der Pistole mit offenen Augen nach. Er konnte es wohl nicht fassen, daß er jetzt wehrlos dastand.
Ich schlug nicht zu, sondern packte ihn und schleuderte ihn gegen die Wand. Er prallte mit dem Rücken dagegen, sein Gesicht verzog sich, und er wollte beide Arme heben, um es zu schützen.
Ich war schneller.
Mein linker Arm schnellte vor, die Finger griffen in Neses Hemd und drehten den Stoff herum. Mit der anderen Hand holte ich mein Kreuz hervor, und das Gesicht des Wachtmeisters verzerrte sich, als er das Kruzifix sah.
»Nein, nicht«, gurgelte er. »Bitte…«
»Wo steckt Kommissar Mallmann?«
»Im Keller, wirklich. Das stimmt.«
»Okay, und ist Merkens auch bei ihm?«
»Ja, er wird ihn töten. Er wird auch die anderen umbringen. Der Satan verlangt es. Merkens ist der Zyklop des Teufels, er muß der Hölle dienen.«
»Du auch?«
»Ja.«
»Wieso?«
»Er hat mich angeschaut, und da bin ich in seinen Bann geraten. Die Gedanken waren plötzlich in meinem Kopf. Schlimme, grausame Gedanken. Gefährlich und teuflisch.«
Während er redete, preßte ich ihm plötzlich das Kreuz gegen die Stirn. Entweder brach ich den Bann des Bösen, oder aber Wachtmeister Nese starb. Ich hoffte, daß letzteres nicht eintreten würde.
Er schrie.
Mein Gott, er schrie. So laut, daß ich vor Schreck zurücktrat und ihn losließ. Beide Hände preßte er gegen sein Gesicht, bekam das Übergewicht und fiel auf die Knie.
Langsam rutschten seine Hände vom Gesicht. Er schaute mich an.
Mit zwei normalen Augen.
Das Zyklopenauge war verschwunden.
Ich, nein, vielmehr das Kreuz hatte es geschafft. Der Wachtmeister war von einem Diener der Hölle wieder in einen Menschen verwandelt worden.
Er öffnete den Mund. »Wer – wer sind Sie?« fragte er stotternd, und als ich lächelte und ihm eine Antwort geben wollte, kippte er plötzlich nach vorn und blieb liegen.
Im ersten Moment fürchtete ich, daß ihn doch noch der Tod erwischt hatte, doch ich konnte seinen Puls spüren.
Wachtmeister Nese war nur bewußtlos.
Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Das Kreuz ließ ich offen vor meiner Brust hängen. Die Beretta nahm ich an mich. Ich hatte kämpfen
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