0131 - Königin der Wölfe
Wangenknochen, eine kleine gerade Nase, fein geschwungene Augenbrauen und darunter, etwas tiefer in den Höhlen liegend, Augen, die mich anblickten und mich in ihren Bann schlugen.
Gelbgrün schillerten sie, standen dabei leicht schräg und leuchteten wie der Mond am Winterhimmel. Unter der Nase begann ein fein geschwungener Mund und ein sanftes Kinn, dessen Grübchen mir sofort auffielen.
Eine faszinierende Frau, ich kann es immer nur wiederholen, und mich traf ihr Anblick wie ein Stich ins Herz.
Diese Frau mußte ich haben, ich wollte sie besitzen.
Es ging kein Weg daran vorbei!
Deshalb auch mein Weg zu ihr. Sie hatte mich hergelockt, ihre Stimme hatte ich vernommen, denn sie wollte auch mich.
Sie streckte die Hand aus.
Ich zögerte – traute mich nicht. Mein Blut rauschte durch die Adern, mich schwindelte, und ich zitterte.
Was war geschehen?
Ich hatte mich verliebt. Ich, der Werwolf, sah nur noch diese Frau. Diese Königin.
Die Königin der Wölfe!
»Was ist mit dir? Warum kommst du nicht zu mir?«
Jetzt hörte ich ihre Stimme. Sie war ein Locken, ein sanftes Schwingen, und ich wagte es.
Schritt für Schritt näherte ich mich dieser faszinierenden Mischung aus Frau und Bestie. Ich ging durch das Gras, spürte nicht die Wärme des Feuers, sondern sah nur sie.
Ich war völlig weg.
Diese Person hatte mich in ihren Bann geschlagen.
Dann stand ich vor ihr.
Zitternd, bebend…
Und sie lächelte. Ihr Mund floß in die Breite, als sie plötzlich fragte: »Warum faßt du mich nicht an, John Sinclair?«
Sie kannte meinen Namen. Sie wußte, wer ich war. Woher? Das spielte keine Rolle. Hauptsache, sie wollte mich.
Ich berührte ihre Hand.
Es durchzuckte mich wie ein Schlag. Sekundenlang schloß ich die Augen, und als ich sie wieder öffnete, stand sie dicht vor mir. Ich schaute in die schillernden Augen und las darin das größte Versprechen, das eine weibliche Person geben konnte.
»Wer… wer bist du?« fragte ich rauh.
»Ich heiße Lupina und bin die Königin der Wölfe. Ich möchte, daß du mein König wirst!«
Ja, ja, jubelte es in mir. Jetzt war es heraus. Ich würde alles für sie tun.
Alles!
Sie zog mich noch enger an sich, mich, den Werwolf. Ich spürte ihren Atem auf meinem Gesicht, es war ein heißer, fordernder Atem, und ich begann zu zittern.
»Willst du bei mir bleiben?« hauchte sie.
»Ja.«
»Es ist aber nicht einfach.«
»Das ist egal.«
Sie lachte plötzlich. »Du wirst kämpfen müssen, denn viele begehren mich. Man weiß, daß ich, die Königin, einen König an meiner Seite haben möchte, und aus diesem Grunde haben sich die Werwölfe aus nah und fern zusammengefunden.«
»Wo sind sie?«
»Hier!«
Mit diesem Wort beendete die schöne Lupina unseren Dialog und stieß mich von sich.
Ich drehte mich um.
Und ich sah sie.
Wie ich vorhin, so standen sie ebenfalls am Rand der Lichtung und starrten fasziniert auf die Königin der Wölfe.
Es waren vier männliche Bestien!
***
Vier Wölfe – vier Gegner für mich.
Sie wollten wie auch ich König an der Seite der schönen Lupina werden.
Wir schauten uns an.
Wenn sie sich auch in ihrem Aussehen voneinander unterschieden, eins hatten sie gemeinsam.
Den Haß auf mich.
Ich war der letzte Eindringling, und obwohl sie sich auch gegenseitig hassen mußten, konzentrierte sich ihre Abneigung doch letztendlich auf den Fremden.
Aus ihren schmalen Raubtieraugen leuchtete mir die reine Mordgier entgegen. Sie wollten mich unterkriegen, um jeden Preis.
Sie öffneten ihre Schnauzen. Ich sah das helle Schimmern der gefährlichen Zähne, die langen Zungen, und ich wußte, daß sie mich angeifen würden.
Unbewußt nahm ich die Kampfhaltung eines Wolfes ein. Ging auf alle viere nieder und stemmte die Pfoten ein.
Lupina bewegte sich.
Sie vollführte einen regelrechten Tanzschritt, und das helle Kleid bauschte sich auf, dabei schaute die Wölfin zum Mond hoch, der rund und voll am Himmel stand.
»Er wird Zeuge sein!« rief sie. »Zeuge des großen Kampfes um mich. Denn wer von euch fünf Sieger bliebt, bekommt mich für den Rest seines Daseins.«
Die Wölfe stießen ein klagendes Geheul aus, das schaurig über die Lichtung hallte.
Nur ich hielt mich zurück und entspannte mich. Vielleicht steckte noch ein Rest von Mensch in mir, doch ich war trotzdem zu kämpfen gewillt.
Für diese Königin lohnte es sich!
Ich wollte mein Leben einsetzen.
Mit dem Rücken zum Feuer blieb Lupina stehen. Die Flammen umschmeichelten ihre Gestalt,
Weitere Kostenlose Bücher