0142 - Das Geheimnis des Teufelshügels
wurde unruhig. Sie war wieder völlig angespannt. Ihre jungen Züge drückten Furcht aus. Sie sprach abgehackt, holte wieder Luft, wollte manchmal nicht weitersprechen, wurde aber von Dr. Ben Spence dazu mit gezielten Fragen veranlaßt. Die bunten Lichter tanzten auf dem zuckenden Gesicht des Mädchens. Jodys Hände waren um die Lehnen des Lederstuhls gekrampft. Die Knöchel drückten sich bleich gegen die Haut. Alles in ihr sträubte sich dagegen, weiterzusprechen. Sie wollte sich weigern, sich weiter zu erinnern, doch Dr. Spence ließ das nicht zu. Er drängte sie hartnäckig, fortzufahren.
»Der Schimmer«, sagte er eindringlich. »Sie sind auf ihn zugegangen. Was sehen Sie nun, Jody? Was? Was? Was?«
»Eine Schlange!« rief Jody Kingsbury erschrocken aus. Es klang wie ein Hilferuf. »Eine leuchtende Schlange. Ich habe - so etwas noch nie - gesehen. Ihr Körper ist dick, er leuchtet. Sie - sie sieht mich mit ihren - furchtbar kalten Augen an. Ich habe - Angst. Ich will fortlaufen, doch die Schlange läßt es nicht zu. Ich ich will Jan rufen, aber ich - kann es nicht…«
Das Mädchen brach bestürzt ab. Dann erzählte es mit erhobener, schriller Stimme, was weiter auf dem Friedhof passiert war, ohne von Spence unterbrochen zu werden.
Zamorra und Nicole lauschten gespannt.
Jody sagte, daß sich die Schlange verformte, hochschwebte, zu einem gräßlichen Totenkopf wurde. Jeder vernünftige Mensch mußte solch eine Geschichte ins Absurde verweisen.
Aber Jody sprach nicht mit wirrem Verstand. Was sie erzählte, kam aus ihrem Unterbewußtsein.
War doch etwas Wahres daran?
Furchtbar, dachte Professor Zamorra.
Ein Totenschädel, angeblich Matthew McQuillan. Und unsichtbare Hände würgten Jody auf dem Friedhof. Dann eilte ihr Jan Howes zu Hilfe. Er kämpfte gegen das schreckliche Gespenst. Jody floh in die Kirche. Jan Howes vermochte ihr nicht zu folgen. Ihn ereilte ein grausamer Tod, vor den Augen seiner Verlobten. Das mußte den schweren Schock ausgelöst haben. Aber konnte denn diese phantastische Story überhaupt wahr sein? Wo war Matthew McQuillans Leiche? Niemand hatte ihn gefunden.
Jody war in Schweiß gebadet. Sie erlebte das Grauen noch einmal. Erst als ihr Dr. Ben Spence eine zweite Spritze gab, wurde sie ruhig. Sie fiel in einen totenähnlichen Schlaf.
Dr. Spence machte Licht und schaltete die zuckenden Scheinwerfer ab. Dann drückte er auf einen Knopf. Ein Bär von einem Mann erschien. Er hob das schlafende Mädchen hoch und trug es fort.
Spence schaute Zamorra und Nicole an, mit einem kleinen Lächeln um die dünnen Lippen.
»Beeindruckt, Professor?«
»Schwer«, gestand Zamorra.
»Kann sie das wirklich erlebt haben?« fragte Nicole Duval zweifelnd. »Ich meine, wir sind keine Träumer, wir können diese Geistergeschichte nicht einfach akzeptieren.«
Dr. Ben Spence wiegte den Kopf.
»Ich werde mich noch einige Male mit dem Mädchen befassen müssen. Es kommt vor, daß sich Patienten selbst in Trance in eine Scheinwelt flüchten, um der schmerzlichen Realität auszuweichen. Was die leuchtende Schlange angeht, bin ich Ihrer Auffassung, Mademoiselle Duval. Das scheint mir ein Märchen zu sein. Aber ich bin durchaus bereit, anzunehmen, daß dieses Mädchen mit angesehen hat, wie ihr Verlobter ermordet wurde.«
»Jan Howes’ Leichnam wurde nicht gefunden«, wandte Professor Zamorra ein.
»Dieses Rätsel zu klären ist nicht meine Aufgabe, Professor Zamorra. Das ist Sache der Polizei.«
»Und wer sollte Ihrer Meinung nach Howes’ Mörder sein?« fragte der Parapsychologe.
»Jody hat uns seinen Namen genannt«, erwiderte Dr. Spence.
»Matthew McQuillan?« fragte Zamorra.
»Ich denke, daß er es gewesen ist«, sagte Dr. Spence.
***
Gegen 22.00 Uhr hatte sich die Unruhe im Dorf gelegt. Was auf dem Friedhof vorgefallen war, hatte sich wie ein Lauffeuer von Haus zu Haus verbreitet. Jeder hatte seine eigene Mutmaßung hinzugefügt und an den Nachbarn weitergegeben, und schließlich entstand ein völlig verzerrtes Bild vom tatsächlichen Geschehen.
Ebenfalls gegen 22.00 Uhr stiegen Professor Zamorra und Nicole Duval aus dem Taxi, das sie vom Nachbardorf zurückgebracht hatte.
Sie betraten das Hotel und fuhren mit dem Lift zum zweiten Stock hoch, wo sich ihre Zimmer befanden. Nicole ging kurz darauf zu Bett. Zamorra stand rauchend auf dem Balkon. Der Professor versuchte zu verdauen, was Jody Kingsbury erzählt hatte. Es war die ungeheuerlichste Geschichte, die er jemals vernommen hatte. Aber
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