018 - Die Vampirin Esmeralda
Lucero jederzeit zurückziehen, wenn dringende Geschäfte es erforderten.
»Nun, Esmeralda«, meinte er und reichte ihr ein Glas mit Solera. »Haben deine Fähigkeiten schon auf irgendeinen der Gäste angesprochen? Hast du eine Hexe oder einen Hexenmeister unter ihnen entdeckt?«
Esmeralda nippte an ihrem Glas, um Zeit zu gewinnen, dann zeigte sie ein unsicheres Lächeln und meinte: »Die Zeit war zu kurz. Es waren so viele Eindrücke, daß ich ganz verwirrt bin. Ich kann die Ausstrahlungen der einzelnen Leute noch nicht auseinanderhalten.«
»Du wirst noch genug Gelegenheit erhalten, jeden einzelnen genau zu überprüfen«, sagte Lucero mit einem geheimnisvollen Lächeln. »Für den Augenblick genügt es, wenn du deine Aufmerksamkeit auf den Herrn des Hauses konzentrierst.«
»Was ist mit ihm?« fragte Esmeralda alarmiert. »Steht er unter Verdacht?«
»Ich habe Erhebungen gegen ihn eingeleitet, die aber zu nichts geführt haben. Wenn du einen Verdacht gegen ihn aussprichst, würde mir das sehr helfen.«
»Ich soll Señor Fuenseca, unseren Gastgeber, denunzieren?« entfuhr es ihr erschrocken. »Aber … aber ich habe an ihm überhaupt nichts Verdächtiges festgestellt.«
»Das wirst du noch nachholen müssen, mein schönes Kind«, sagte Lucero hart. »Señor Fuenseca ist reich. Und er ist ein Feind der Inquisition. Er ist schlau genug, sich nicht auf die Schliche kommen zu lassen. Er tut mir schön ins Gesicht, aber ich weiß aus sicherer Quelle, daß er bei Philipp seinen Einfluß geltend machte – zusammen mit einigen anderen Patrizierfamilien, die um ihr Vermögen bangten –, um mich meines Postens zu entheben. Nun, da ich wieder Inquisitor bin, versucht er sich wieder mein Vertrauen zu erschleichen. Ich weiß aber, daß er bei Ferdinand V. wieder intrigieren wird, kaum daß dieser den Thron bestiegen hat. Señor Fuenseca kann mir sehr gefährlich werden. Du mußt dafür sorgen, daß er einen Makel erhält, der es der Inquisition ermöglicht, sich seiner anzunehmen.«
»Aber …« Esmeralda schwindelte. Sie hatte davon gehört, daß die Spanische Inquisition oftmals dazu mißbraucht wurde, unliebsame Konkurrenten auszuschalten und sich an deren Vermögen zu bereichern.
»Was ist, wenn ich feststelle, daß Señor Fuenseca überhaupt nichts mit Schwarzer Magie zu tun hat und auch kein Ketzer, sondern ein gläubiger Christ ist?«
»Dann wirst du es für dich behalten und das tun, was ich von dir verlange.« Lucero packte ihr Kinn und preßte die Finger so fest zusammen, daß es ihr weh tat. »Dein Körper brennt so leicht wie die der anderen Hexen gestern. Du bist vor dem Scheiterhaufen nur sicher, solange du unter meinem Schutz stehst. Vergiß auch nicht, daß dich jeder einzelne der hier versammelten Gäste liebend gern tot sehen würde. Auch Señor Fuenseca. Warum solltest du ihn also verschonen?«
Esmeralda nickte schwach. Sie verstand. Lucero erwartete von ihr gar nicht, daß sie wahre Dämonen in Menschengestalt entlarvte, obwohl er vielleicht der Meinung war, daß sie es konnte; er wollte sie einzig und allein für seine dunklen Machenschaften einspannen. Sie sollte ihm helfen, seine Feinde zu vernichten und seine Macht zu vergrößern.
»Ich kann dich beruhigen«, sagte er jetzt sanfter. »Du brauchst heute noch nicht gegen Fuenseca aufzutreten. Aber wenn du mit ihm sprichst, mache ruhig einige Bemerkungen, die ihn nachdenklicher stimmen. Sonst sei höflich zu ihm. Du sollst ihn nämlich dazu bringen, daß er dir seine Tochter Isabell anvertraut.«
»Ich fürchte, ich verstehe überhaupt nichts mehr, Eminenz«, gestand Esmeralda. Lucero machte oft Gedankensprünge, denen sie nicht folgen konnte.
»Isabell ist ein ganz reizendes Mädchen, etwa so alt wie du«, erklärte der Inquisitor. »Und sie ist noch unverheiratet. Eine Schande! Ein sehr guter Freund von mir, der Graf Ramon Jose de Godoy, hat mir gegenüber den Wunsch geäußert, sich verheiraten zu wollen, und ich dachte mir, daß er an Isabell Fuenseca vielleicht Gefallen finden könnte.«
»Und was habe ich damit zu tun?«
»Du sollst Isabell zu deiner Freundin machen. Graf de Godoy wird heute eintreffen und sich Isabell ansehen. Wenn sie ihm gefällt, lädt er sie für ein paar Tage auf sein Schloß ein. Natürlich würde es sich nicht schicken, daß sie allein bei ihm wohnt. Sie braucht eine Anstandsdame. Und das wirst du sein, Esmeralda. Wenn es soweit ist, kannst du irgendeine Weissagung machen, die Señor Fuenseca dazu
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