0186 - Höllenfahrt um null Uhr zehn
Morreece hat sich mal wieder in Lilianwos sehen lassen. Um genau zu sein: sie will eine Woche Urlaub von Hollywood machen. Sie scheint’s nötig zu haben. Wie ich hörte, schlief sie die ersten drei Tage dieser Woche jeweils 14 Stunden.«
»Stramme Leistung«, lachte Stephan. »Wie kommt sie in Hollywood voran?«
»Es scheint endlich geklappt zu haben. Sie hat einen Vertrag in der Tasche, der ihr drei Hauptrollen allein für dieses Jahr zusichert. Die Gage ist natürlich nicht so hoch, wie die bei einem richtigen Weltstar. Aber immerhin ist es für unsere Begriffe lausig viel Geld.«
Stephan grinste: »Das Dorf steht natürlich köpf, seit seine berühmte Schönheit wieder im Lande weilt, was?«
»Das können Sie sich denken! Die jungen Männer bringen sich bald um. Jeder möchte mal mit ihr ausgehen. Nicht etwa irgendwohin, nein, nur in Lilianwos in unsere Dorfkneipe, damit alle anderen sehen können, daß er der Auserwählte ist. Ich amüsiere mich ziemlich dabei, wenn ich am Hause ihrer Eltern vorbeikomme und jedesmal mindestens drei Autos davorstehen sehe, die alle poliert worden sind, als wären sie neu. Sonst fahren sie ein halbes Jahr so dreckig herum, daß man manchmal ein ernstes Wort reden muß, damit man wenigstens das Nummernschild sauberhält. Wissen Sie, wer anscheinend gleichfalls zu den Anbetern gehört?«
»Keine Ahnung, Plachnow! Sagen Sie’s mir!«
»Unser Doktor! Sie kennen ihn doch?«
»Mischa?«
»Ja, der alte Knacker schleicht dauernd bei der Morreece ums Haus.«
Stephan lachte schallend. Er kannte das dürre, zerbrechliche Männchen gut, denn Lilianwos und Hershey lagen nicht weit auseinander. Wenn er sich den Alten auf Freiersfüßen vorstellte, kam ein Bild zustande, dessen Komik ans Groteske grenzte.
Eine Weile sprachen die beiden Sheriffs noch über ein Thema, das für Sheriffs nicht gerade alltäglich genannt werden kann: über die Liebe und die Blüten, die sie manchmal treibt. Dann kam Plachnow zu dem Thema, das ihm am Herzen lag.
»Wie steht’s mit der Sache, die uns seit Wochen auf den Beinen hält?« fragte er. »Haben die G-men immer noch keine vernünftige Spur? Die Polizisten an den nächtlichen Straßensperren kippen uns bald aus den Schuhen. Was zuviel ist, ist zuviel. Um die Wahrheit zu sagen, sind wir noch nicht viel weiter. Wir verfolgen eine einzige Spur: Beim letzten Mord wurde in der fraglichen Zeit ein schwarzer Cadillac mit einer Nummer aus Pennsylvanien in der Nähe der Mordstelle gesehen. Die Nummer hat man nicht erkannt, aber sie war aus Pennsylvanien.«
»War das nicht vielleicht der Wagen des ermordeten Pärchens?«
»Nein. Das war ein rot-weißer Mercury. Er stand in der Kiesgrube, wo die beiden Leichen gefunden wurden. Der Cadillac könnte eigentlich nur dem Mörder gehört haben.«
»Und jetzt überprüfen die G-men sämtliche Cadillacs in Pennsylvanien?« staunte Plachnow. »Na, das wäre eine Arbeit für mich!«
»Zunächst alle schwarzen und dunklen Wagen. Wenn er darunter nicht gefunden wird, kommen auch noch die anderen Farben an die Reihe, haben die beiden G-men gesagt.«
»Wo stecken die beiden eigentlich?«
»In Beary City. Auch wegen eines schwarzen Cadillacs. Cotton rief mich heute nachmittag an. Sie bleiben die Nacht über in Beary City. Sieht fast so aus, als ob sie auf der richtigen Spur wären.« Plachnow fuhr in die Höhe: »Einer aus Beary City? Ich werd’ verrückt!«
»Lassen Sie das lieber!« entgegnete Stephan trocken. »Noch ist gar nichts bewiesen. Morgen nachmittag wollen Cotton und Decker wieder zurück sein. Dann werden wir Genaueres wissen. Bis dahin läuft alles wie üblich weiter.«
»Also auch heute nacht wieder Sperren?« seufzte Plachnow.
»Auch heute nacht! Und wenn es sein muß, noch weitere 50 oder 100 Nächte. Einmal muß uns der Kerl ins Netz gehen! Einmal muß er!«
***
Well, ich streckte also meine Arme zur Decke. Sehr deutlich, damit er es in der Dunkelheit auch gut sehen konnte und nicht auf dumme Gedanken kam.
»Was soll das Theater, Gosser?« fragte ich. »Wollen Sie mich ausplündern? Da werden Sie wenig Glück haben. Ich glaube kaum, daß ich mehr als 40 oder 50 Dollar bei mir habe.«
»Halt’s Maul!« fauchte er grob. »Geh langsam in das Zimmer, wo wir gepokert haben! Aber langsam, Jails, langsam!«
»Ich bin noch nie für große Hast gewesen«, erwiderte ich und setzte langsam einen Fuß vor, zog den anderen nach und so weiter.
Während ich den äußerlich Ruhigen spielte,
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