0195 - Im Schloß der Bestien
Fäden zu einem gemeinsamen Knäuel führen.
Sie riß an der Kette. Fedor Lykow gurgelte erstickt. »Den Schlüssel«, zischte Nicole. »Raus damit!«
»In – in meiner Tasche«, keuchte Lykow.
»Hol ihn heraus«, befahl Nicole.
Fedor Lykow bewegte sich langsam. Nicole hatte ihn mit der Kette in buchstäblich eisernem Griff. In dieser Situation nützten dem Schwarzhaarigen auch seine überlegenen Kräfte nichts. Wenn er sich nicht so bewegte, wie Nicole wollte, würde er sich selbst, sogar ohne ihr Zutun, töten. Und Nicole selbst reagierte auf jede Muskelanspannung mit schwachen Rucken.
Sie fragte sich, ob sie wirklich in der Lage war, konsequent durchzuhalten, wenn Lykow es tatsächlich wagte, alles auf eine Karte zu setzen. Konnte sie den Griff halten, oder würde sie es nicht fertigbringen? Würde sie die Kette loslassen, um ihn nicht zu töten? Sie war doch keine Mörderin!
Sie konnte nur froh sein, daß er anscheinend ihre Gedanken nicht lesen konnte.
Lykow griff langsam in die Tasche und holte einen kleinen Schlüssel heraus.
»Gib ihn Susy Carter!« befahl Nicole.
Lykow gehorchte. Zögernd streckte Susy die Hand aus und nahm den Schlüssel entgegen. Jetzt erst begriff sie die Chance, die vor ihnen beiden lag. Sie bückte sich und öffnete ihren Fußring.
»Jetzt meinen«, verlangte Nicole.
Susy öffnete auch Nicoles Fesseln. »Und jetzt?« fragte sie.
»Mach Lykow an deiner Kette fest«, verlangte die Französin. Susys Augen weiteten sich. »Können wir ihn nicht als Geisel …?«
»Mach schon!« befahl Nicole, die befürchtete, Lykow aus Versehen doch noch zu töten. Sie wollte dieses Risiko nicht auf sich nehmen. Sie wußte nicht genau, woran sie mit ihm war, aber sie konnte nicht kaltblütig töten. Es überstieg ihre Kräfte.
Im selben Moment sah Susy rein zufällig zur offenstehenden Tür. Ihr schlanker Körper versteifte sich.
Nicole folgte ihrem Blick.
Das nackte Entsetzen sprang sie an.
Von einem Ungeheuer reden ist einfach. Es direkt in voller Lebensgröße vor sich zu sehen, ist eine andere Sache.
Eine zweite Person war lautlos in die Tür getreten. Sie ging aufrecht und schien ihren Körperformen nach eine Frau zu sein. Aber damit hörte bereits alles Menschliche auf.
Auf den schmalen Schultern saß ein gewaltiger Wolfsschädel!
Nicole schrie entsetzt auf.
***
»Pjotr Lykow«, murmelte Zamorra nachdenklich den Namen des Schloßbesitzers. »Übersetzt heißt es Peter – Wolf . Teufel auch, ich hätte früher darauf kommen sollen! Dabei lag es so nahe!«
»Peter und der Wolf«, grinste Stan Brickley verzerrt. »Wie in der Kindergeschichte …«
»Lykows Schloß«, fuhr Zamorra in seinen Überlegungen fort. »Das Wolfsschloß. Peter Wolf– Werwolf! Lieber Himmel, wie das alles zusammenpaßt und nicht einmal mehr Platz für Zufälle läßt! Und da oben … da oben muß Nicole jetzt sein …«
Warum? schrien seine Gedanken. Eine Entführung? Warum? Was hatten die Werwölfe vor? Ein Druckmittel gegen ihn, Zamorra? Wollten sie ihn über Nicole zwingen, ebenfalls in die Falle zu gehen?
»Äh, da ist noch etwas«, sagte Brickley plötzlich. »Sehen Sie da drüben in meiner Einfahrt den roten Wagen?«
Ob er rot war oder dunkelbraun, konnte Zamorra im Mondlicht nicht auf Anhieb bestätigen. Aber er sah den Wagen, und als er näher hinsah, erkannte er auch die Beschädigung der Reifen. Ihm entging auch nicht Hugh Caidrys Zusammenzucken.
»Ich glaube, Hugh, es ist an der Zeit, daß wir das Versteckspiel aufgeben. Mister Zamorra arbeitet für die Regierung!«
Zamorra stutzte für eine halbe Sekunde, bis ihm einfiel, daß er ja seinen Sonderausweis vorgezeigt hatte. Er nickte knapp.
»Die Werwölfe überfallen unser Dorf seit langem. Seit die Lykow-Sippe das Schloß übernommen hat, um genau zu sein. Die Polizei glaubt die Geschichte nicht und macht einen weiten Bogen um das Schloß. Man sucht den oder die Mörder unter uns. Deshalb wollten wir den letzten Fall einfach vertuschen. Aber Sie packen die Sache ja anders an.«
»Was ist geschehen?« fragte Zamorra elektrisiert. Jede Einzelheit konnte wichtig sein. Er war entschlossen, sich mit dem Werwolf-Phänomen zu befassen. Wenn Lykows Schloß eine Festung der Schwarzblütigen war, war es seine Pflicht, aufzuräumen. Die Hölle durfte auf der Erde der Menschen nicht Fuß fassen!
»Ein junger Mann und ein Mädchen. Sie wollten draußen übernachten. Sie lachten über unsere Warnungen«, sagte Brickley leise. »In der Nacht
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