02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
verlieren, wäre das Schlimmste überhaupt gewesen.
„Mama Bisi“, fragte ich nach einer Weile, „sind denn Mama Adas Ahnen im Himmel?“
„Ja, mein Kind, natürlich“, bestätigte sie.
„Aber warum sagen sie dann, dass Mama Adas Baby krank wird? Warum helfen sie nicht, dass es gesund bleibt?“
„Das tun sie doch, Choga! Sie weisen uns auf die Gefahren hin, die dem Kind drohen.“
„Aber Gott beschützt doch alle Kinder, Mama Bisi. Warum beschützt er nicht Mama Adas Baby?“
„Er wird es beschützen, aber wir müssen ihm dabei helfen.“
„Ich werde ganz schnell gesund und Mama Adas Baby pflegen“, versprach ich.
Mama Bisi küsste mich und ich spürte, wie ein Tropfen auf mein Gesicht fiel.
Nie zuvor hatte ich meine Patentante weinen sehen.
Dass meine Mutter die Farm leitete, darüber hatte ich mir zuvor nie Gedanken gemacht, weil mir gegenüber niemand darüber sprach. Erst Mama Adas Schicksal machte mir deutlich, dass Mutter eine besondere Stellung innehatte -
als Vaters Stellvertreterin auf der Farm. (Erst später habe ich erfahren, dass sie tatsächlich die einzige Frau war, die eine von Vaters Familien führte.) Meine Mutter regelte die verfahrene Situation ausgesprochen diplomatisch. Nachdem Bisi ihre Verfehlung gestanden hatte, kam sie zu mir und erklärte mir, dass Bisi es gut gemeint habe mit Mama Ada.
Schon am nächsten Tag war mein hohes Fieber so gut wie verschwunden und zwei Tage später konnte ich wieder draußen spielen.
Ich war gerade neun geworden, als Papa David zur Taufe von Mama Adas drei Wochen altem Baby auf der Farm eintraf. Vater hatte für meine kleinste Halbschwester den Namen Rebecca ausgewählt. Allerdings nannten wir die Kleine alle längst Susan und wenn ich morgens aufwachte, lief ich zuerst zu Mama Ada und fragte: „Wie geht es der kleinen Sue?“ Ich war ja dabei gewesen, als Mama Bisi von den Ahnen diesen Namen mitgeteilt bekommen hatte. Als der Taufsonntag kam, war ich gespannt, welchen Namen Papa David meiner Halbschwester geben würde.
„Ich taufe dich hiermit auf den Namen Rebecca Susan“, sagte er. Ich atmete erleichtert auf. Meine Mutter, die das Mädchen als Patin über das Taufbecken hielt, strahlte über das ganze Gesicht. Ja, so machte Mutter das! Wenn sie etwas erreichen wollte, tat sie es leise und unauffällig. Und alle waren zufrieden mit dem Kompromiss, den sie erzielt hatte. Gerufen wurde mein Schwesterchen allerdings nur mit ihrem Kosenamen Sue. Aber das wusste Vater nicht; er war ja weit entfernt. Auch als Sue blieb sie seine Tochter und wurde in seinem Sinne erzogen.
Von der ersten Minute an hatte ich eine besondere Beziehung zu Sue. Natürlich mochte ich Efe und Jem nach wie vor sehr gern, aber die Kleine konnte den beiden die Position als meine Lieblingsschwester durchaus streitig machen. Ich ließ mir von meinen Mamas alles beibringen, was man wissen muss, um ein Baby richtig versorgen zu können. Schon bald trug ich Sue den ganzen Tag in einem Tuch auf dem Rücken herum. Ich kam mir richtig nackt vor, wenn ich sie nicht dabei hatte. In Okerekes Unterricht legte ich sie neben mir auf den Boden.
Als die Kleine zu krabbeln begann, hatte auch der Lehrer ein Auge auf sie und sogar meine Mitschülerinnen und Halbschwestern beaufsichtigten sie. Da Sue lange Zeit unsere
jüngste Mitbewohnerin blieb, wurde sie von allen geliebt. Wenn Mama Ada sie mit aufs Feld nehmen wollte, war ich richtig traurig. Die kleine Sue war ein Teil von mir geworden. Das Tollste aber war, als sie ihr erstes Wort sagte - meinen Namen. Ich trug Sue überall hin und forderte sie auf, das Wort zu wiederholen.
Es war zwar nur die zweite Silbe meines Namens, aber alle freuten sich mit uns und lachten. Und Mama Adas Tochter lachte mit!
Da nur Mutter und meine Lieblingsmamas in die Prophezeiung des Orakels eingeweiht waren, achteten vor allem wir vier besonders auf das kleine Mädchen. Sobald eine von uns Sue weinen hörte, kamen wir herbeigestürzt.
Was nicht immer eine gute Idee war, denn die Kleine bekam bald spitz, dass sie schon mit einem leisen Quengeln große Aufmerksamkeit erreichte!
Lebensretter Com
Ein Hund gilt in meinem Land nicht viel. Die Leute haben selbst wenig zu essen und teilen nicht gern mit einem Hund. Deshalb suchen sich die Tiere ihr Essen selbst und die, die zu keiner Farm gehören (das ist die Mehrzahl), schließen sich in Rudeln zusammen. Das sind richtige Banden, die sich vor allem nachts blutige Kämpfe liefern. Oft konnte ich keinen
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