02 - Tanz der Sehnsucht
wie sie vor einigen Tagen gewesen war - lachend die Tauben im Park mit Brotkrumen füttern.
Als der Summer auf Roys Schreibtisch ertönte, musste er feststellen, dass er weitere zehn Minuten durch Tagträumereien verloren hatte. „Ja, Hannah?"
„Ihr Vater ist auf Leitung eins, Mr. Valentine."
„Danke." Roy drückte auf einen Knopf und stellte die Verbindung her. „Dad?"
„Roy, ich habe läuten hören, Selby habe einen ganzen Schwung neuer Independent-Promoter übernommen. Weißt du etwas darüber?"
Tatsächlich war Roy schon darüber informiert worden, dass Gallo- way Records einige bisher von der Schallplattenindustrie unabhängige Projekte unter Vertrag genommen habe. „Auf die wichtigsten Sender soll etwas Druck gemacht worden sein.
Manche sprechen auch von Schmiergeld. Bestimmte Platten sollen gespielt werden. Also nichts Neues.
Wenn ich etwas Konkretes höre, lasse ich es dich umgehend wissen."
„Hat mir nie gefallen, dafür zu zahlen, dass eine Platte im Radio gesendet wird", entgegnete Edwin halblaut. „Na ja, lassen wir das. Ich würde mir gern eine Probe von unserem Stück ansehen. Begleitest du mich?"
Roy warf einen Blick auf seinen Terminkalender.
„Wann?"
„In einer Stunde. Ich weiß, normalerweise sollte man sich vorher anmelden. Sie wollen, dass alles wie am Schnürchen klappt, wenn die Herren Geldgeber erwartet werden. Aber ich liebe Überraschungen."
Roy hatte am Vormittag eigentlich zwei Termine.
Doch einem Impuls folgend, entschloss er sich, sie zu verschieben. „Dann treffe ich dich um elf am Theater."
„Hast du anschließend auch noch Zeit zum Essen? Dein alter Herr lädt dich ein."
Er ist einsam, erkannte Roy. Edwin Valentine hatte seinen Club, seine Freunde und genügend Geld, um die Welt zu umkreisen, aber er war einsam. „Ich werde Appetit mitbringen", versprach Roy.
Verstohlen betrat Edwin das Theater, wie ein Junge ohne Eintrittskarte. „Wir setzen uns unauffällig hier an die Seite, um zu sehen, wofür wir unser Geld ausgeben."
Roy folgte seinem Vater, doch seine
Aufmerksamkeit galt der Bühne, wo Maddy gerade von einem anderen Mann umarmt wurde. Unerwartet und heftig verspürte Roy Eifersucht.
Sie sah zu einem anderen Mann auf, die Arme um dessen Hals geschlungen, das Gesicht strahlend.
Der andere Mann küsste sie auf die Stirn. Obwohl Roy wusste, es war nur ein Spiel, fühlte er erneut einen unangenehmen Druck im Magen.
„In Ordnung", beendete der Regisseur mit dröhnender Stimme die Szene. „Hier haben wir fünfzehn Sekunden für den Umbau. Wanda, Rose, nehmt eure Positionen ein. Licht. Dein Stichwort, Maddy."
Sie kam wieder auf die Bühne geeilt, wo Wanda sich in einem Sessel rekelte und die Frau namens Rose sich vor einem Spiegel aufputzte.
„Du bist spät", sagte Wanda träge.
„Was bist du, eine Stechuhr?" Im Gegensatz zur vorigen Szene mit ihrem Liebhaber wirkte Maddy von ihrer Stimme und ihren Bewegungen her härter.
„Jackie hat dich gesucht."
Maddy, die sich gerade eine auffällige rote Perücke überzog, hielt mitten in der Bewegung inne.
„Was hast du ihm gesagt?"
„Dass er nicht an den richtigen Orten gesucht hat.
Ich habe dich gedeckt, Mary, aber überzieh nicht die Saite."
„Danke." Maddy schlüpfte aus ihrem Rock, schob dann Rose ein wenig zur Seite und begann sich das Gesicht zu bemalen.
„Du brauchst mir nicht zu danken. Wir halten zusammen. Aber trotzdem, für mich bist du total übergeschnappt."
„Ich weiß schon, was ich tue." Maddy verschwand hinter einem
Wandschirm. Kurz darauf warf sie die Bluse, die sie getragen hatte, über ihn. „Ich habe alles im Griff."
„Du solltest aber auch sicher sein, Jackie im Griff zu haben. Kannst du dir vorstellen, was er mit dir und deinem hübschen Jungen macht, wenn er hinter eure Geschichte kommt?"
„Er wird nicht dahinterkommen." Sie trat in einem langen, schleppenden, mit Pailletten übersäten Gewand hinter dem Wandschirm hervor. „Schon bin ich fertig."
„Die Leute im Zuschauerraum sind heute Abend ziemlich wild."
„Gut." Sie zwinkerte Wanda zu. „So mag ich sie."
Dann ging sie
ab.
„Linker Scheinwerfer", rief der Regisseur.
„Stichwort Terry."
Roy erkannte den Tänzer, der von links auf die Bühne kam, von der letzten Probe wieder. Sein Haar war jetzt mit Haargel zurückgekämmt. Er trug eine glänzend weiße Krawatte zu einem schwarzen Hemd. Als Maddy hinter ihm auftrat, ergriff er sie beim Arm.
„Wo zum Teufel warst du?"
„Irgendwo." Maddy warf
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