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02 - Von dir kann ich nicht lassen

02 - Von dir kann ich nicht lassen

Titel: 02 - Von dir kann ich nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
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den Kopf gesenkt, die Augen noch immer
geschlossen. Erst in diesem Moment erkannte Jane, dass sie nicht hier sein
sollte.
    Aber es
war zu spät. Gerade als sie daran dachte sich zurückzuziehen und die Tür leise
wieder hinter sich zu schließen, wandte er den Kopf und öffnete die Augen.
Einen Moment lang blickten sie ausdruckslos in ihre. Und dann loderten sie auf.
    »Was,
zum Teufel, tun Sie hier?«, wetterte er.
    Sie
hatte zum ersten Mal wirklich Angst vor ihm Sein Zorn wirkte irgendwie anders
als jemals zuvor. Sie erwartete fast, dass er aufstehen und auf sie zukommen
würde.
    »Es tut
mir Leid«, sagte sie. »Ich kam herunter, um nach einem Buch zu schauen, und
hörte die Musik. Wo haben Sie so spielen gelernt?«
    »Wie,
so?«, fragte er mit verengten Augen. Sie konnte erkennen, dass er sich von
seinem Schreck erholte und wieder mehr er selbst wurde. »Ich befasse mich nur
oberflächlich damit, Miss Ingleby. Ich habe mich unterhalten, ohne mir bewusst
zu sein, dass ich Zuhörer hatte.«
    Ihr
wurde mit einem Mal bewusst, dass er sich hinter seine vertraute Maske zurückzog.
Sie hatte ihn niemals zuvor für einen Menschen gehalten, der Schutz benötigte.
Es war ihr niemals in den Sinn gekommen, dass sein Charakter tiefgründiger
war, als er ihr und auch seinen Besuchern offenbart hatte.
    »Oh,
nein«, sagte sie und wurde sich noch während sie sprach der Tatsache bewusst,
dass es vielleicht klüger wäre zu schweigen. Sie trat weiter in den Raum und
schloss die Tür. »Sie befassen sich nicht nur oberflächlich damit, Euer Gnaden.
Sie sind mit einem wunderbaren und seltenen Talent gesegnet. Und sie haben sich
nicht nur unterhalten. Sie haben Ihr Talent mit ganzer Seele in sich
aufgenommen.«
    »Unsinn!«,
sagte er nach kurzem Schweigen nur. »Ich hatte niemals Unterricht, Jane, und
ich kann keine Noten. lesen. Damit ist Ihre Theorie dahin.«
    Aber
sie sah ihn erstaunt an. »Sie hatten niemals Unterricht? Was haben Sie dann
gespielt? Wie haben Sie es gelernt?«
    Sie
erkannte die Wahrheit, noch während sie die Fragen stellte. Er antwortete ihr
nicht, sondern schürzte nur die Lippen.
    »Sie
tragen es nicht einmal nachts offen?«, fragte er.
    Ihr
Haar. Er sprach über ihr Haar, das zu einem dicken Zopf geflochten ihren Rücken
herabhing. Aber sie würde sich nicht ablenken lassen.
    »Es war
Ihre eigene Komposition«, sagte sie. »Das war es doch, oder?«
    Er
zuckte die Achseln. »Wie ich bereits sagte«, bemerkte er. »Ich befasse mich nur
oberflächlich damit.«
    »Vermutlich«,
sagte sie, »ist das Spiel auf dem Pianoforte, das Komponieren und die Liebe der
Musik, etwas, das einem männlichen Dudley unwürdig ist.«
    »Es
grenzt an Verweichlichung«, bestätigte er.
    »Bach
war ein Mann«, sagte sie, während sie auf ihn zuging und ihre Kerze auf das
Pianoforte neben den Kandelaber stellte, der ihm Licht gespendet hatte. »Waren
also alle berühmten Komponisten verweichlich t?«
    »Sie
wären es gewesen, wenn sie Dudleys gewesen wären.« Er grinste sie fast verwegen
an. »Sie sind barfüßig, Jane? Wie schockierend nachlässig!«
    »Laut
wem?« Sie würde nicht zulassen, dass er das Thema wechselte. »Laut Ihnen? Oder
laut Ihrem Vater und Großvater?«
    »Wir
sind alle eins«, sagte er. »Wie die Dreieinigkeit, Jane.«
    »Das
ist Blasphemie«, belehrte sie ihn streng. »Ihr Vater muss Ihr Talent doch
bemerkt haben. Eine solche Gabe kann nicht unentwegt verborgen bleiben. Sie
wird hervorbrechen, wie sie es heute Nacht getan hat. Er hat Sie nicht
ermutigt, Ihr Talent zu entwickeln?«
    »Ich
habe rasch gelernt, niemals zu spielen, wenn er zu Hause war«, sagte er.
»Nicht, nachdem er mich zwei Mal dabei ertappt hatte. Ich konnte niemals
wirklich Gefallen daran finden, die ganze Nacht auf dem Bauch zu schlafen, weil
meine Kehrseite zu wund war.«
    Jane
war zu wütend, um etwas sagen zu können. Sie sah ihn nur mit zusammengepressten
Lippen an den harten, zynischen, gefährlichen Lebemann, dem alle Spuren seiner
empfindsameren, künstlerischen Natur durch einen Vater ausgetrieben worden
waren, der so unwissend und schwach gewesen war, dass er alles Weibliche
fürchtete. Warum konnten Männer dieser Art nicht erkennen, dass eine reife,
ausgeglichene Persönlichkeit, unabhängig vom Geschlecht, über eine ausgewogene
Mischung von männlichen und weiblichen Qualitäten verfügte? Und hier versuchte
dieser törichte Mann, einem Ideal zu entsprechen, das ihm von unwissenden
Menschen vorgesetzt worden war und meist machte

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