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02 - Von dir kann ich nicht lassen

02 - Von dir kann ich nicht lassen

Titel: 02 - Von dir kann ich nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
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er seine Sache recht
gut.
    Er
wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Tastatur zu und begann erneut, leise zu
spielen. Dieses Mal war es eine bekannte Melodie.
    »Kennen
Sie es?«, fragte er ohne aufzublicken.
    »Ja«,
sagte sie. »Es ist >Barbara Allen<.« Eines der hübscheren und traurigeren
Volkslieder.
    »Können
Sie singen?«, fragte er sie.
    »Ja«,
gestand sie leise.
    »Und
kennen Sie den Text?«
    »Ja.«
    »Dann
singen Sie ihn.« Er hörte auf zu spielen und sah sie an. »Setzen Sie sich hier
neben mich auf die Bank und singen Sie. Da Sie schon gekommen sind, können Sie
sich ebenso gut nützlich machen. Ich werde versuchen zu spielen, als wären
meine Finger nicht alle Daumen.«
    Sie
entsprach seinem Wunsch und betrachtete seine Hände, während er einige
einleitende Takte spielte. Sie hatte schon früher bemerkt, dass er lange Finger
hatte. Aber da er der Duke of Tresham war, hatte sie zu dem Zeitpunkt nicht
daran gedacht, dass es Künstlerhände sein könnten. Nun war es offensichtlich. Sie
strichen über die Tasten, als liebe er die Musik eher, als dass er sie spielte.
    Sie
sang das Lied mit allen Strophen, von Anfang bis Ende. Nach anfänglicher
Befangenheit vergaß sie alles außer der Musik und der traurigen Geschichte von
Barbara Allen. Singen war stets eine ihrer größten Freuden gewesen.
    Als das
Lied endete, herrschte Schweigen. Jane saß aufrecht auf der Bank des
Pianoforte, die Hände im Schoß gefaltet. Der Duke saß mit über den Tasten
schwebenden Händen da. Es war, dachte Jane, ohne die Bedeutung dieses Gedankens
so recht zu verstehen, einer der seligsten Momente in ihrem Leben.
    »Mein
Gott!«, murmelte er in das Schweigen. Es klang nicht nach einer seiner nur
üblichen Blasphemien. »Eine Altstimme. Ich hätte erwartet, dass Sie eine
Sopranstimme hätten.«
    Der
Augenblick verging, und Jane war sich der Tatsache sehr bewusst, dass sie neben
dem Duke of Tresham im Musikraum saß, nur in Nachthemd und Mantel, der Zopf
lose ihren Rücken herabhängend. Und barfüßig. Er trug sehr enge Pantalons und
ein weißes, am Hals offenes Hemd.
    Sie
wusste nicht, wie sie sich ohne viel Aufhebens erheben und aus dem Raum begeben
sollte.
    »Noch
niemals in meinem Leben«, sagte er, »habe ich eine solch wunderschöne Stimme
gehört. Oder eine Stimme, die sich so vollkommen der Musik und der Innigkeit
des Liedes anpassen konnte.«
    Sie
freute sich, trotz ihres Unbehagens.
    »Warum
haben Sie mir das nicht gesagt«, fragte er, »als ich Sie für mich spielen ließ
und Ihnen eine ehrliche Einschätzung ihres Talents gab? Warum haben Sie mir
nicht gesagt, dass Sie singen können?«
    »Sie
haben nicht danach gefragt«, antwortete sie.
    »Verdammt,
Jane«, sagte er. »Wie können Sie es wagen, Gesellschaft derart zu meiden. Ein
Talent wie Ihres muss sich mitteilen und nicht vor der Welt verborgen bleiben.«
    »Touché«,
sagte sie leise.
    Sie
saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Und dann nahm er ihre Hand in seine
und hielt sie auf der Bank zwischen ihnen fest. Plötzlich schien nur noch halb
so viel Luft im Raum zu sein.
    »Sie
hätten nicht herunterkommen sollen«, sagte er. »Oder Sie hätten sich in die
Bibliothek schleichen, Ihr Buch aussuchen und Ihrer Neugier nicht folgen
sollen. Sie haben mich zu einem schlechten Zeitpunkt angetroffen.«
    Sie
verstand die Bedeutung seiner Worte. Es war auch für sie ein schlechter
Zeitpunkt. Sie waren beide von einem Gefühlszustand erfasst, der ihnen nicht
vertraut war. In einer weichen, irgendwie schwermütigen Stimmung. Sie beide
allein wie sie es schon häufig waren. Aber dieses Mal gänzlich allein,
ohne Dienstboten jenseits der Tür. Spät in der Nacht.
    »Ja«,
brachte sie nur hervor. Dann erhob sie sich und entzog ihm ihre Hand. Und doch
sehnte sich alles außer ihrem gesunden Menschenverstand danach zu bleiben.
    »Gehen
Sie nicht«, sagte er, seine Stimme ungewöhnlich heiser, und drehte sich auf der
Bank um, bis er mit dem Rücken zum Pianoforte saß. »Verlassen Sie mich noch
nicht.«
    Es war
ein Augenblick und nur ein einziger Augenblick der
Entscheidung. Sie konnte auf den gesunden Menschenverstand hören, entschlossen
gute Nacht sagen und den Raum verlassen. Er könnte und würde sie nicht
aufhalten. Oder sie konnte in einer Situation verweilen, die voller Anspannung
war und gegen die ihre Abwehr bereits geschwächt war. Es war keine Zeit, die
Angelegenheit mit sich zu erörtern. Sie tat die wenigen Schritte, die sie
unmittelbar zu ihm

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