020 - Im Todesgriff der Schreckensmumie
in diesen Teil der Pyramide mitkamen, um Khto-Ysiros
Wiederkunft als Schwarze Göttin zu
erleben, haben noch eine Aufgabe zu erfüllen. Hier ...«
Er drehte sich um.
Da sah Iwan, dass sich hinter dem Thron, genau zwischen den beiden
aufgebahrten Kindern, ein Podest erhob, das aussah wie weißer Marmor. Darauf
stand die Nachbildung jenes Kopfes, der so sehr an Nofretete erinnerte: das
hohe aufgesteckte Haar, pechschwarz, wie aus dicken Strähnen geflochten.
»Khto-Ysiro, nicht als Priesterin sondern als Göttin«, murmelte der
Maskierte – in dem Moment mit starkem Akzent. »Sie wird sich so ihren Freunden
und Anhängern zeigen, Khto-Ysiro, die Göttin mit dem Schlangenhaupt!«
Schlangenhaupt?
Was hatte das nun schon wieder zu bedeuten?
»Erst das Blut eines Sklaven, wenn die Schale ausbrennt«, murmelte der
Maskierte wie in Trance.
Iwan arbeitete unverdrossen weiter an seinen Fesseln. Schon konnte er die
Hände bewegen und vom Körper spreizen. Und mit jeder Sekunde, die verrann,
konnte er den Zwischenraum vergrößern und fühlte sich weniger eingeengt.
»So steht es geschrieben«, fuhr der Unbekannte mit der Maske fort und Iwan
zuckte heftig zusammen, als er plötzlich ein amerikanisches Wort vernahm.
»Geschrieben« – war nicht arabisch ausgedrückt worden.
Was hatte das alles zu bedeuten?
»Dann das Blut der Kinder. Nur sieben Jahre dürfen sie alt sein. Ein Junge
und ein Mädchen. Ihr Blut für die Schwarze
Göttin«, murmelte der Maskierte, und die Worte klangen wie ein Singsang,
eine Mischung aus arabischen und amerikanischen Brocken.
Dieser Priester behauptete von sich, gemeinsam mit den sieben Sklaven und
dem Symbol der Schwarzen Göttin hier
in dieser geheimen Kammer der riesigen Pyramide eingeschlossen worden zu sein.
Vor wie viel tausend Jahren?
Zweitausend, dreitausend oder viertausend?
Damals existierten noch keine amerikanischen Ausdrücke, noch kein
amerikanischer Akzent!
»Ihr Kopf wird lebendig werden, und die Heiligen Schlangen werden zu uns
sprechen.« Iwan verstand nur die Hälfte dieses Satzes, aber er konnte ihn
sinngemäß zusammenreimen. Diesmal gab es kein einziges amerikanisches Wort.
»Und dann wird es nur noch ein kleiner Schritt zu dem sein, was mir vorschwebt.
An Khto-Ysiros Seite zu herrschen, an der Seite der Schwarzen Göttin mit dem Schlangenhaupt. Als Priesterin und als
Göttin wird sie gleichzeitig dienen und herrschen, und die alte Prophezeiung
wird sich erfüllen, dass sie die eine ist, in der zwei sind ...«
Ein leises kicherndes Lachen erfolgte. Es klang irr.
Der Feuerschein veränderte sich. Die Sklaven hatten seit der Ankunft des
Russen kein weiteres Öl nachgegossen und keine neuen Kräuter in die Flammen
eingestreut. Schwer und betäubend hing der süße Duft in dem tempelartigen Raum.
Das Licht sank so tief herab, dass man schließlich nur noch von einer
gespenstischen Dämmerung sprechen konnte.
Die Sklaven rührten sich, und Iwan begriff, dass er zu einem Zeitpunkt
eingetroffen war, da sich das Ritual seinem Höhepunkt näherte.
Der Mann mit der fischartigen Goldmaske erhob sich.
Das schien das Zeichen, denn er brauchte kein Wort zu sagen. Alles lief
mechanisch nach einem geheimnisvollen Ritus ab, den sie kannten.
Sie umringten die Feuerstelle. Das Licht erlosch immer mehr. Einer nach dem
anderen hielt seine Hand über die Schale – nichts geschah. Beim vierten aber
ereignete sich etwas. Als würde jemand Öl in die Schale gießen, stieg das
zuckende Flämmchen plötzlich in die Höhe und wurde zu einer grellen Feuersäule,
die die Hand des Betreffenden sofort einhüllte.
Ein leiser erschreckter Aufschrei kam über Bha-Tais Lippen.
Er war der Auserwählte!
Wie durch Zauberei hielt einer der übrigen Sklaven plötzlich ein
dolchartiges Messer in der Hand. Ehe sich Bha-Tai versah, wurde er auf den
Boden gerissen und mit einem einzigen Schnitt seine Halsschlagader geöffnet.
Wie eine Fontäne sprang das Blut hervor. Blut, das seit Jahrtausenden in
diesen Adern unbeweglich gestanden hatte und durch einen mysteriösen Prozess,
in dem magische Fähigkeiten keine unbedeutende Rolle spielten, wieder flüssig
geworden war und die Versorgung der Zellen wieder aufgenommen hatte.
Mit bloßen Händen, die sie kelchartig hielten, fingen die Sklaven den
Lebenssaft des Geopferten auf, liefen auf den thronartigen Aufbau und gossen
das Blut über dem schwarzen Haupt der Göttin aus. Jeder brachte sein Opfer dar.
Bha-Tais Blut lief über das marmorne
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