0273 - Nachts jagen ihn die Rauschgift-Haie
Gleichgewicht und stürzte. Aber ich hatte seinen rechten Arm erwischt und hielt ihn fest, sodass er mit mir zu Boden ging.
Wir wälzten uns ein paar Mal herum. Ich ließ den Arm nicht los, konnte aber das Messer nicht sehen, weil mir seine Schulter im Weg war. Er stieß mit dem Absatz gegen mein linkes Schienbein. Ich gab seinem Arm einen Ruck und bekam ihn ein Stück herum.
Er versuchte, sich mit den Knien am Schrank einzustemmen und mich über die Schulter abzuwerfen. Ich stemmte mich dagegen. Es kostete auch viel Anstrengung, ihn vom Schrank wegzukriegen. Als er merkte, dass er sich nicht mehr halten konnte, gab er sich selbst einen Stoß - und dann stieß er einen Schrei aus, der mir durch Mark und Bein ging.
Als er sich selbst vom Schrank weggestoßen hatte, waren wir beide quer durch das Zimmer geflogen und über einen Stuhl gestürzt. Und noch immer hielt ich den Arm mit dem Messer, das ich nicht sehen konnte. Aber wir stürzten so, dass ich auf ihm lag. Ich löste mich behutsam von ihm.
Er schrie nicht mehr, er röchelte nur noch. Ich drehte ihn vorsichtig um.
Das Messer war ihm im Sturz in die eigene Brust getrieben worden. Ich kniete nieder.
Das Messer musste ins Herz gedrungen sein. Ich beugte mich vor. Bruchteile einer Sekunde konnten entscheiden. Sollte ich das Messer herausreißen? Aber dann machte ich dem Blut ja erst den Weg frei! Es war vollkommen sinnlos.
»Wer hat dich geschickt?«, fragte ich.
Sein Blick ruhte auf mir, aber er kämpfte bereits gegen die Schleier des Todes an.
Seine Lippen bewegten sich. Aber nur ein leises, pfeifendes Krächzen drang aus seiner Kehle.
»Wer hat dich beauftragt, mich zu ermorden?«, fragte ich noch einmal. »Wer hat dich geschickt?«
Er verstand mich offenbar nicht mehr. Seine Lippen bewegten sich noch immer, und es war mir, als ob er etwas von ›Pferden‹ sagte, aber das war das einzige Wort, das ich verstehen konnte.
Ein letztes Zucken lief durch seinen Körper. Der Tod trat sichtbar in sein Antlitz, als Mr. Lindner gerade die Tür zu meinem Zimmer aufriss und fassungslos auf der Schwelle stehen blieb.
***
Die Luft im Lesesaal war zum Schneiden dick. Fünf G-men hatten seit Stunden geraucht, und manche von ihnen hatten eine Zigarette an der anderen angesteckt. Es war halb zehn abends, als es endlich gelang, Bill Ranger in einem Kino zu finden.
Nun stand der Junge blass und verstört vor dem Tisch, den Alf Lundquist mit seinen Aufzeichnungen bedeckt hatte. Auf dem Fußboden markierte weiße Kreide die Stelle, wo Honda Queal gelegen hatte, als man sie fand. Die Umrisse ihres Körpers waren genau nachgezeiehnet worden. Jeder, der hereinkam, musste als erstes diese Kreidezeichnung sehen, und es gab keinen, der bei diesem Anblick nicht unwillkürlich stockte.
»Hallo, Ranger«, sagte Alf gedehnt. »Nett, Sie wiederzusehen.«
Der Junge presste trotzig die Lippen aufeinander.
»Ich denke, Sie haben mir etwas zu sagen?«, forschte Alf.
Bill Ranger sah ihn herausfordernd an.
»Haben Sie mich deswegen aus dem Kino holen lassen? Haben Sie einen Haftbefehl? Mein Vater ist ’ne ziemlich einflussreiche Nummer in der Stadt, müssen Sie wissen. Wenn ich ihm das erzähle, kann er Ihnen die Hölle ganz schön heißmachen!«
Alf sprang auf und war mit zwei Sätzen um den Tisch herum. Er packte den Jungen mit der Linken an der Krawatte und schob ihn vor sich her quer durch den Raum, bis sie an der Stelle waren, wo sich die Kreidezeichnung befand.
»Hier lag vor ein paar Stunden Honda Queal«, sagte Alf leise. »Ein hübsches Mädchen, kaum älter als du. Jemand aus diesem Cpllege hat sie umgebracht. Von hinten mit einer Schnur erdrosselt. Und wenn du der Sohn des Präsidenten wärst, wir hätten keinen Grund, dich mit Samthandschuhen anzufassen. Entweder bist du der Mörder oder du hilfst ihm! Kapiert? Mörder oder Helfershelfer! Soll ich dir mal erzählen, wie das mit dem elektrischen Stuhl vor sich geht?«
Er ließ den Jungen los. Bill Ranger war kreidebleich geworden. Seine Zunge fuhr aufgeregt über die trockenen Lippen.
»Ich«, stieß er rau hervor, »ich habe doch mit dem Mord nichts zu tun! Ihr könnt mir das doch nicht in die Schuhe schieben! Ich war das nicht! Hört ihr? Ich habe nichts damit zu tun!«
Seine Stimme überschlug sich. Ungerührt erwiderte Alf: »Du hast um 3.17 Uhr diesen Raum betreten. Eine Minute vorher ist Honda Queal hier hereingegangen. Ist das richtig?«
Bill Ranger schluckte. Er sah sich hilfesuchend um. Aber alle Augen,
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