028 - Die Kapuzenmaenner
Karikaturen von Menschen. Dann wieder gab es Tiere, die keine waren, wie Vampire, Meermädchen, Medusen, halbmenschliche Kraken und Drachen. Sie alle schienen nur auf ein Wort zu warten, um in den Raum zu schwärmen.
Kate wollte sich abwenden und brachte es nicht fertig. Sie konnte in morbider Faszination den Blick nicht davon wenden, wie alle eingebildeten Ängste aus Alpträumen zum Leben erwacht und unter dem Pinsel eines Meisters Gestalt angenommen hatten.
Paul bewegte sich langsam an der Wand vorbei, bis er zu der Figur eines Werwolfes kam. Grünlich phosphoreszierende Umrisse gaben dem furchtbaren Tier ein schreckliches Leben. Dahinter, halb verschmolzen mit dem Wolf, formten sich die schwachen Konturen eines Mannes, an Füßen, Beinen und Hüften rauchähnlich. Nach oben zu wurden die Linien fester, bis zum Gesicht, das vollständig zu sehen war. Dieses glich in so erschreckender Weise Paul, daß Kate leise aufschrie.
„Bemerkenswert, nicht wahr?“ fragte Paul. „Die Dillons ähneln sich alle. Es ist, als ob wir alle nach demselben fürchterlichen Muster geformt wären. Die andere Seite des Gemäldes ist übrigens zu pronographisch für eine Frau wie Sie, Kate.“
„Es ist geradezu obszön, diesen Ort eine Kirche zu nennen.“ Kate sprach fast erstickt. „Was für einen Gott betet man hier an?“
Paul ging lächelnd zur Mitte des Raumes und hielt die Fackel hoch, um den Altar zu zeigen. Er hatte die Länge eines Menschen. Verdächtige dunkle Flecken waren darauf zu sehen. Dahinter flackerte ein Licht, und der Umriß einer Statue wurde sichtbar. Die Decke hinter dem Altar war heruntergezogen und bildete eine Nische. Dort stand die überlebensgroße Figur des Gottes Satanas. Satan, der Böse, Satan, der Geißbock, stand aufgerichtet, mit gespaltenen Hufen, zottigen Schenkeln und zottigem Körper. Jedes Haar war fast naturgetreu nachgebildet. Von der Hüfte aufwärts ein Mann, muskulös, mit haariger Brust und einen Strick um Kehle und Arme. Die Hände stark mit Vogelkrallen, das Gesicht grausam verzerrt, schielend. Große, stark ausgeprägte Ohren, ein häßlich grinsender Mund mit Fangzähnen. Die Augen wie zwei glitzernde Rubine, die von einem inneren Feuer glühten. Von der schwarzen Kerze, die zwischen seinen Hörnern steckte, tropfte Wachs auf das verderbte Gesicht. Paul warf den Kopf zurück und lachte ein wildes, bitteres Lachen. „Dies ist das Erbe der Dillons. Nicht. das Geld, nicht die gesellschaftliche Stellung. Dies ist es, was die Dillons aus Frankreich mitbrachten, um diesen Ort zu bevölkern.“
„Es ist grauenerregend“, sagte Kate. „Ich kann mir jetzt vorstellen, warum die Leute von Widderburn nicht wollen, daß Fremde es sehen.“
Paul wandte sich an Eric. „Du hast noch kein Wort gesagt. Was denkst du darüber?“
„Es ist widerlich und doch fesselt es mich. Meine Seele wehrt sich dagegen und mein Verstand ist davon fasziniert. Aber wie kannst du bei einer solchen Blasphemie mitmachen?“
„Das habe ich nie. Ich wurde mit zwölf Jahren geweiht, wie alle Familienmitglieder. Das war aber auch alles. Weder Val noch ich haben je hier gebetet, bis jetzt wenigstens.“
„Hast du darüber mit Valerie gestritten?“
„Belial hat sie fast davon überzeugt, ein Mitglied der Gemeinde zu werden.“
„Die Statue ist bemerkenswert. Hat sie auch ein Familienmitglied gemacht?“
„Sie ist so alt, daß niemand mehr weiß, woher sie kommt. In der Familiengeschichte steht nichts darüber. Nur, daß der erste Honore sie schon hatte.“
„Der ganze Ort ist unglaublich.“ Campion deutete mit dem Kopf zu der Wand, die ihnen Paul nicht gezeigt hatte und hob fragend eine Augenbraue.
„Das ganze Ritual, von Anfang bis Ende“, beantwortete Paul die unausgesprochene Frage, Ekel im Gesicht.
Campion hatte Kate und Paul mit dem Wagen nach Hause geschickt, weil er mit seinen Gedanken allein sein wollte. Er mußte einmal darüber nachdenken, was er seit seiner Ankunft in Widderburn alles erfahren und gesehen hatte. Da war die Familiengeschichte der Gandillons, deren Authentik der Tempel Satans bewies. Vieles mußte er erst im Geist sortieren. Hagars Tod, Stokes, der Tempel und das Tagebuch. Er hatte das Gefühl, in einem Alptraum zu leben und langsam den Kontakt zur Wirklichkeit zu verlieren.
Was ihm am meisten zu schaffen machte, war die ständige Angst vor dem, was Henri Di Hon von ihm wollte. Er war sich darüber klar, daß der alte Mann nicht die Absicht hatte, es ihm zu erzählen,
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