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029 - Der Unheimliche

029 - Der Unheimliche

Titel: 029 - Der Unheimliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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wollte sie nie mehr wiedersehen.
    In ihrem Zimmer stand ein kleiner Schreibtisch. Sie schaltete die Lampe ein, setzte sich und begann zu schreiben:
›Sehr geehrter Major Amery! Nach diesem Vorfall fühle ich mich nicht mehr imstande, ins Büro zurückzukehren. Es tut mir leid, wenn mein plötzliches Fortbleiben Ihnen Unannehmlichkeiten verursachen sollte, aber ich bin sicher, daß Sie mich verstehen werden .‹
    Aber er würde sie absolut nicht verstehen! Er würde sehr verärgert sein! Seine Lippen würden sich zu jenem höhnischen Lächeln verziehen, und vermutlich würde er sie wegen Vertragsbruch verklagen.
    Elsa las den Brief nochmals durch, runzelte die Stirn und zerriß ihn. Sie fing einen neuen Brief an und saß sinnend da, bis die Uhr vier schlug und sie todmüde war. Sie drehte das Licht aus und ging wieder zu Bett.
    Um acht Uhr war sie angezogen und frühstückte auf ihrem Zimmer. Wieder saß sie am Schreibtisch und begann einen neuen Brief, der nie beendet wurde. Ein Viertel vor neun Uhr zerriß sie ihn, setzte ihren Hut auf, zog den Mantel an und ging fort.
    Fünf Minuten nach neun wartete Miss Tame in Elsas Büro. Sie hatte eine Zeitung unter den Arm geklemmt und zitterte vor Aufregung. Als Elsa eintrat, stürzte sich Miss Tame förmlich auf sie.
    »Meine Liebe, das ist ja schrecklich! In den Zeitungen ist alles ganz genau beschrieben. Ich wäre ja vor Angst gestorben!«
    »Miss Tame«, entgegnete Elsa abgespannt, »um des Himmels willen, sprechen Sie nicht davon! Ich bin nicht imstande, die Sache zu erörtern . . . Ich bin nur hergekommen, um mit Major Amery zu sprechen, und dann gehe ich wieder.«
    »Ich möchte wetten, Sie sind in Ohnmacht gefallen!« behauptete die sensationshungrige Dame.
    In diesem Augenblick ertönte die unbarmherzige Klingel über Elsas Pult. Bevor sie wußte, was sie tat, hatte sie Mantel und Hut abgelegt, Stenoblock und Bleistift ergriffen und die Tür zum Privatbüro geöffnet.
    Amery saß vor seinem Schreibtisch, die ernsten Augen auf die Tür gerichtet. Er schien es als ganz selbstverständlich anzusehen, daß Elsa erscheinen würde, sobald er klingelte.
    »Ich bin etwas zeitig dran«, erklärte er, und das war das einzige persönliche Wort, das er vorbrachte, dann begann er mit dem Diktat eines fast endlosen Briefes an eine indische Firma in Delhi. Er gab ihr keine Gelegenheit zu der Erklärung, daß sie nach all dem nicht wiederkommen könne. Sie hatte nicht einmal Zeit, sich über sein Selbstbewußtsein zu ärgern. Sie hatte Mühe, mit dem Stenografieren nachzukommen.
    Unmittelbar danach folgte ein Schreiben an eine Firma in Bombay, aber diesmal hielt er mitten im Brief inne und reichte ihr einen Zettel mit einer Anzahl von Wörtern, die sie an der von ihm angegebenen Stelle einfügen sollte. »Das ist alles!« verabschiedete er sie. Elsa stand auf.
    »Major Amery, ich möchte . . .«
    »Schreiben Sie schnell diese Briefe, sie müssen sofort zur Post.«
    »Und wenn schon«, erwiderte sie gereizt. »Ich muß Ihnen etwas sagen, und zwar sofort.«
    Amery ließ seine Zeitung sinken, faltete sie mit bedächtiger Ruhe zusammen, legte sie auf die Seite und schaute Elsa an.
    »Nun?« fragte er.
    »Mein Onkel ist gestern ermordet worden - von einem Mann, der schon einmal in unser Haus einbrechen wollte. Ich habe der Polizei verschwiegen, daß ich ihn erkannt habe. Ich habe ihn so deutlich gesehen, wie ich Sie sehe, und doch habe ich es der Polizei nicht gesagt. . .«
    »Und warum nicht?« Seine Augenbrauen hoben sich, und seine Stimme klang teilnahmslos. »Sie sind verpflichtet, der Polizei alle Aufklärung zu geben«, bemerkte er.
    »Ich habe es nicht getan, weil - weil ich anscheinend verrückt bin«, entgegnete sie erzürnt.
    Er schaute schnell auf und erblickte ihre funkelnden Augen.
    »Wer war es?«
    »Feng Ho!« rief sie heftig. »Sie wissen, daß es Feng Ho war!«
    Er schaute auf den Schreibtisch nieder und schien zu überlegen. Sie bemerkte, wie er sich auf die Lippe biß, und fuhr fort:
    »Ich wollte weder Sie noch Ihre Freunde in diese Sache verwickeln! Aber das war reine Sentimentalität! Schließlich muß ich es ja doch sagen.«
    Amery blickte sie fest an: »Das ist ein sehr vernünftiger Entschluß. Aber ich glaube, Sie haben sich getäuscht. Feng Ho -«
    » - war bei Ihnen, natürlich!« unterbrach sie ihn mit einem Versuch, sarkastisch zu sein, der aber mißglückte.
    »Wenn er bei mir war«, sagte er ruhig, »könnte Ihre Geschichte stimmen, denn als die Tat

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