029 - Der Unheimliche
gegeben wurde: Halten Sie sich von Soyoka fern! Er ist gefährlich!«
Mit diesen Worten entfernte sich der Major. Ralf kehrte haßerfüllt zu Elsa zurück.
»Ist er fort?« erkundigte sie sich.
Ralf wollte antworten, aber die Wut schnürte ihm die Kehle zu.
»Also das ist Amery«, brachte er schwer atmend hervor. »Ich werde an den Schurken denken!«
»Ralf, hat hier Geld gelegen? Du hast mir nichts davon gesagt.«
»Selbstverständlich war hier Geld«, meinte er ungeduldig. »Ich wollte dich überraschen. Es war ein ziemliches Vermögen, Tarn hat mir erst vor einigen Tagen davon erzählt.«
Er durchsuchte nochmals den Safe und schrie plötzlich überrascht auf.
»Was ist los?«
»Ach, nichts!« entgegnete er und versteckte hastig einen mit Bleistift beschriebenen Zettel, den er in einem der hinteren Fächer entdeckt hatte. »Ich dachte nur, daß ich etwas gefunden hätte.«
Plötzlich schien er große Eile zu haben, das Büro zu verlassen, denn er stieß Elsa fast in den Gang hinaus und verschloß hastig die Tür.
»Das ist eigentlich überflüssig«, brummte er, »denn wenn der Mann das ist, was ich annehme, wird ihn so ein Türschloß auch nicht aufhalten.«
»Sprichst du von Major Amery?« fragte sie erstaunt.
»Was sollte das bedeuten, Ralf, als du sagtest, es sei nicht Platz für euch beide in England - und daß das Geld plötzlich verschwunden sei? Glaubst du, daß er es genommen hat?«
In ihrer Verwirrung glaubte sie, daß das Geld vielleicht bei der Firma Amery unterschlagen worden war, und daß der Unheimliche sich aus diesem Grunde dafür interessierte. Hatte Maurice es gestohlen? Ihr Herz blieb bei diesem Gedanken fast stehen. Das Benehmen Maurice Tarns erschien ihr in einem neuen Licht.
»Wurde das Geld unterschlagen?« stotterte sie vor Aufregung. »War Mr. Tarn . . .?«
»Um Himmels willen, frag nicht weiter!«
Auf dem Rückweg zum Hotel schwiegen beide, und Elsa war froh, als Ralf sich am Eingang verabschiedete. Auch sie brauchte Ruhe, um über alles nachzudenken.
Hallam erreichte die Half Moon Street und bemerkte dann, daß er kurz vor seinem Haus zwei Männer überholte. Er hatte schon den Schlüssel ins Schlüsselloch gesteckt, als eine plötzliche Eingebung ihn veranlaßte, sich umzudrehen. So verfehlte ihn der Schlag, der auf seinen Kopf gerichtet war, um Haaresbreite. Hallam konnte den ersten Angreifer niederwerfen, aber der zweite durchbrach seine Deckung. Er sah Stahl blitzen und fühlte, daß die Spitze ihn traf.
»Das hier kommt von Soyoka!« zischte der Mann, als er zustach.
Hallam trat mit den Füßen nach ihm und zog seinen Revolver. Im nächsten Augenblick liefen seine Angreifer die Straße hinunter in Richtung Piccadilly. Ralf überlegte, daß ein Schuß nur unliebsames Aufsehen erregen würde, und steckte die Waffe wieder in die Tasche zurück.
An allen Gliedern zitternd, trat er in sein Arbeitszimmer. Soyoka hatte den zweiten Schlag geführt!
20
Am nächsten Morgen sprach Hallam in der Stebbings-Bank in der Old Broad Street vor. Er wurde gleich in das pompöse Zimmer Mr. Tupperwills geführt.
Mr. Tupperwill lächelte ihm wohlwollend entgegen und streckte ihm seine große, fleischige Hand hin.
»Ich will gleich zur Sache kommen«, begann Hallam. »Ich habe Ihren Brief erhalten, und ich glaube, daß es das beste ist, wenn ich persönlich mit Ihnen spreche. In den nächsten Tagen erwarte ich Geld - einen ziemlich hohen Betrag. Sie werden meinem überzogenen Konto bis dahin wohl etwas mehr Luft geben können.«
Mr. Tupperwill spitzte die Lippen, als ob er pfeifen wollte, doch schien er es sich anders überlegt zu haben. »Sie können selbstverständlich Ihr Konto überziehen, mein Lieber, aber... Wieviel brauchen Sie?«
Hallam nannte ihm seine Forderung, und Tupperwill machte sich eine Notiz.
»Das wäre erledigt!« nickte er. »Und nun möchte ich eine Frage an Sie richten. Eigentlich wollte ich Sie schon vorgestern, nachdem ich Sie getroffen hatte, anrufen, aber ich wollte Sie nicht damit behelligen. Wer ist Amery?«
»Sie meinen Paul Amery? Aber ich dachte, Sie kennen ihn«, sagte Hallam erstaunt.
Mr. Tupperwill neigte zustimmend den Kopf.
»Ich kenne ihn und auch seinen umherschweifenden Henkersknecht. Hallam, wenn ich Ihnen sage, daß Amery bei uns ein ganz erhebliches Konto hat, verstoße ich eigentlich gegen die Prinzipien der Bank. Er wurde sehr gut empfohlen, aber ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll. Ich selbst neige dazu, sein Konto zu
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