029 - Der Unheimliche
verfolgen.
Tupperwill wurde wieder ganz Geschäftsmann.
»Was das Überziehen Ihres Kontos betrifft, mein lieber Hallam, so können Sie ohne weiteres Gebrauch davon machen, wenn Sie das Geld benötigen. Nein, nein, Sie haben nicht zu danken. Ich habe die Warnung ausgesprochen und damit meiner Pflicht genügt.« Dann schweiften seine Gedanken wieder zu dem Verbrechen: »Die gerichtliche Untersuchung...«
». . . wird heute sein«, ergänzte Ralf. »Ich will eben hin.«
Wieder schien der Bankier in Gedanken versunken zu sein.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie zur Gerichtsverhandlung begleite? Solche Verhandlungen sind allerdings sehr deprimierend -aber ich habe einen Grund, warum ich mitgehen möchte.«
Ralf fragte sich, welcher Art Tupperwills Interesse sein könnte, aber die Erleichterung, daß er diese schwere finanzielle Krise überstanden hatte, bewog ihn, die Gesellschaft Tupperwills zu erdulden. Sie betraten den Gerichtssaal, als gerade Hallams Name aufgerufen wurde.
Er hatte Elsa erst gesehen, als er vor dem Zeugentisch stand, und an ihrem Gesicht erkannte er, daß sie ihre Zeugenaussage bereits gemacht hatte. Die Untersuchung dauerte fast bis fünf Uhr und wurde dann vertagt. Während dieser Zeit hatte Hallam keine Gelegenheit, sich ihr zu nähern, und erst außerhalb des Gerichtsgebäudes konnte er mit ihr sprechen.
»Ich war gestern abend ziemlich gereizt, Elsa, bitte verzeih. Aber meine Nerven sind fast ruiniert.«
»Meine auch«, gab sie zurück. Dann erblickte sie Mr.
Tupperwill, der sich im Hintergrund hielt.
Hallam stellte ihn vor, und der Bankier ergriff Elsas Hand mit einem Ausdruck melancholischer Teilnahme auf dem Gesicht.
»Ich kannte Ihren Onkel«, sagte er pietätvoll, »ich will nichts weiter hinzufügen.« Und nachdem er blumenreich sein tiefempfundenes Beileid ausgedrückt hatte, verabschiedete er sich.
»Wer ist dieser Tupperwill?« erkundigte sich Elsa.
»Der Eigentümer der Stebbings-Bank und ein großartiger Mensch«, erklärte Ralf. »Gehst du heute abend zu Lou?«
Elsa schüttelte den Kopf. »Nein, ich kann heute abend nicht ausgehen, ich muß noch einmal ins Büro.«
»Willst du damit sagen, daß Amery dich noch zurückerwartet?«
»Er erwartet es nicht nur, sondern er verlangt es sogar«, erwiderte sie ärgerlich. »Ich scheide am Sonnabend aus der Firma aus und habe eine entsprechende Mitteilung für ihn hinterlassen. Aber er hat überhaupt keine Notiz davon genommen. Bitte, sprich nun nicht mehr über ihn! Kannst du mich ein Stückchen begleiten?«
»Den ganzen Weg«, brummte Ralf.
Am Ende der Wood Street verabschiedete er sich, und Elsa eilte unruhig ins Büro zurück und entschuldigte sich, daß sie so spät käme.
Amery stand in seinem Zimmer vor dem Kamin. Die Hände hielt er auf dem Rücken, die Blicke starrten ärgerlich zu Boden. Auf dem Schreibtisch lag Elsas geöffneter Brief, und Amerys Macht über sie war so stark, daß sie nervös wurde, wenn sie daran dachte, wie er diese Kündigung aufnehmen würde. Er sprach auch sofort darüber.
»Sie wollen uns also verlassen, Miss Marlowe? Damit haben Sie mir die Mühe, Ihnen zu kündigen, abgenommen.«
Diese Worte verscheuchten all ihre Furcht.
»Sie sollten wenigstens so höflich sein, mir diese Beleidigung zu ersparen«, versetzte sie aufgebracht. »Ich will Ihnen den Grund sagen, warum ich Sie verlasse. Kein Mädchen mit Selbstachtung kann bei Ihnen arbeiten, so ungezogen benehmen Sie sich; es ist einfach erniedrigend, auf Ihren Wink warten zu müssen.«
Er starrte sie erstaunt an.
»Tatsächlich?« war alles, was er entgegnete. Dann fuhr er fort: »Sie hatten mir versichert, daß Sie nichts von der Stanford-Gesellschaft wüßten.«
»Ich habe auch nichts gewußt«, gab sie ärgerlich zurück. »Zweimal haben Sie mich durch Andeutungen als Lügnerin hingestellt, und ich hoffe, Sie werden Ihre Beleidigungen nicht wiederholen.«
Amery war verblüfft über ihre Heftigkeit, doch bevor er antworten konnte, fuhr sie fort:
»Ich war der Überzeugung, daß die StanfordGesellschaft nur in Ihrer Phantasie existierte. Ich hatte keine Ahnung von dem Geschäft, das mein Onkel betrieb, aber aus Ihrem Verhalten muß ich schließen, daß es ein unpassendes war. Wieviel Geld er hatte und wie er dazu gekommen ist, weiß ich ebenfalls nicht. Ich hatte nicht einmal eine Ahnung, daß überhaupt Geld vorhanden war. Dr. Hallam hat mir nur erzählt, daß in Mr. Tarns Büro Dokumente lägen. Jetzt ist mir klar, daß es
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