0297 - Der Verräter
stecken.
Jeder Vampir hatte sich eine Fackel besorgt. Sie wurden kreisförmig aufgestellt, und den Mittelpunkt des Kreises bildete die junge Ungarin Edda Kiss.
Man hatte sie nicht gefesselt. Es war nicht nötig, denn sie hätte den Blutsaugern nicht entfliehen können.
Mandraka tat nichts. Er stand nur da und schaute zu. Falls seine Diener Fehler machten, würde er sie schon darauf hinweisen.
Edda zitterte.
Hin und wieder wurde es so stark, daß sie ihre beiden Kiefer nicht ruhig halten konnte und die Zähne aufeinander schlugen. Es war nicht die Kälte, die sie so reagieren ließ, sondern die Angst, die dieses Gefühl in ihr hochschwemmte.
Sehr oft schaute sie in die Höhe.
Dort sah sie schräg über sich die rettende Öffnung. Eigentlich nur einen Sprung entfernt, dennoch für sie unerreichbar. Sobald sich Edda rührte, würden die Vampire sich auf sie stürzen.
Sie wunderte sich schon nicht mehr darüber, daß der Boden hielt.
Normalerweise hätte sie einsacken müssen, doch die Vampire schienen auch dies beeinflussen zu können. Er war zwar weich, aber nicht so, daß er einen Gegenstand in eine unergründliche und unerreichbare Tiefe zog.
Als sie wieder einen Blick in die Höhe warf, sah sie, daß sich der Ausschnitt an einer Seite verdunkelte. Und zwar dort, wo sie auch den roten Mond noch gesehen hatte. Jetzt war ihr der Blick von einer Gestalt genommen, die ein goldenes Schwert in der Hand hielt und selbst aus Eddas Sichtperspektive ziemlich klein wirkte. Sie hatte den Mann noch nie gesehen und wußte nicht, daß es sich bei ihm um Myxin, den Magier, handelte.
Er stand dort wie ein Denkmal und starrte in die Tiefe.
War er ein Feind oder ein Freund?
Für einen Moment zuckte Hoffnung in dem Mädchen auf. Edda betete, daß der Fremde hinunterspringen und die Vampire mit seinem goldenen Schwert töten würde.
Es war eine vergebliche Hoffnung. Zwar verließ Myxin seinen Platz, doch auf ein Zeichen des Anführers der Schwarzblut-Vampire hin, denn Mandraka winkte ihm zu.
»Komm zu uns, Magier!«
Und Myxin sprang. Dicht neben dem Mädchen kam er auf, befand sich mitten im Kreis, schaute Edda an, und die junge Frau fürchtete sich unter diesem Blick.
Myxin tat ihr nichts. Er ließ sie liegen und schritt auf Mandraka zu.
Edda beobachtete gespannt, was zwischen den beiden geschah, doch es tat sich vorerst nichts. Sie schauten sich nur an, bis über die Lippen des Magiers ein dünnes Lächeln zuckte, bevor er Mandraka ansprach.
»Du weißt, weshalb ich gekommen bin?«
»Nein. Ich kann es mir aber denken.«
»Das ist gut, denn ich will dich im Kampf gegen den Teufel unterstützen.«
Mandraka nickte. »Wir können jede Hilfe gebrauchen, denn wir beide wissen, wie mächtig der Satan ist.«
»Ja, das stimmt.«
»Er ist geflohen«, stellte Mandraka fest.
Myxin lächelte knapp. Der Widerschein von Flammenzungen huschte über sein Gesicht und gab der grünlich schimmernden Haut einen rötlichen Überzug. »Ich kenne den Höllenherrscher. Wenn er verschwindet, gleicht das nicht einer Flucht. Es geschieht allein aus Taktik. Er wird sich einen neuen Plan zurechtlegen und hart, viel härter als zuvor zurückschlagen.«
»Das wissen wir, damit rechnen wir«, sagte Mandraka.
»Dann bin ich zufrieden.«
»Wirklich?«
»Nein, nicht ganz. Ich hätte den Satan gern vernichtet gesehen, aber das wird uns kaum gelingen.«
Mandraka lachte rauh. »Weshalb bist du so pessimistisch?«
»Ich kenne ihn eben.«
»Wir aber auch. Vergiß nie, daß er schon bestand, als wir auch waren«, erwiderte Mandraka, und seine Augen begannen zu leuchten.
»Freiwillig würde er nie kommen, deshalb werden wir ihn zwingen und haben uns aus diesem Grunde das Mädchen geholt.«
Myxin bedachte Edda mit einem langen Blick. Sie schauderte zusammen. »Was willst du mit ihr?«
»Sie ist Jungfrau!«
»Ha, ha…« Myxin lachte und strich dabei über die Schwertklinge. »Das ist natürlich etwas anderes. Wenn etwas den Satan locken kann, ist es das Blut einer Jungfrau. Daran haben auch zehntausend Jahre nichts ändern können.«
»Du sagst es.«
»Und sie willst du opfern?«
»Ja!«
»Damit bin ich einverstanden. Wir sollten allerdings keine Zeit verlieren, denn jede Minute, die wir zögern, wird der Satan benutzen, um neue Pläne zu schmieden.«
»Damit bin ich einverstanden. Zudem habe ich bewußt diesen Platz hier gewählt. Es ist unser Zufluchtsort gewesen, als der große Kontinent in den Fluten versank.«
»Das verstehe ich
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