0324 - Die Geliebte des Dämons
dieses seltsame Gefühl der Erwartung, ihm endlich gegenüberstehen zu können. Sie würde ihn locken, sie würde ihn sehen und sich darüber freuen, daß er da war.
Die Diener nahmen sie in Empfang. Man hatte auf sie gewartet, führte sie in die Wand hinein und zu ihm.
Sie sah den Nebel.
Eine gewaltige Wolke, die alles ausfüllte und dabei im Nichts schwebte.
Shao tauchte hinein. Sie wurde mit offenen Armen empfangen, als Geliebte eines großen Dämons. Ob sie festen Boden unter ihren Füßen hatte, wußte sie nicht. Ihr war es egal, denn sie fühlte sich als Teil einer gewaltigen Mythologie.
Und Kataya nahm sie.
Er schickte die Schlange, die sich zusammenrollte und für Shao ein weiches Bett abgab. Selten in ihrer Existenz hatte sie sich so wohl gefühlt wie in diesen Augenblicken. So genoß sie den Schutz, den ihr Kataya gewährte.
Zum ersten Mal hörte sie seine Stimme.
Er sprach von fernen Reichen, von dem Bösen und von der Liebe, die sie ihm schenken sollte. Wie die Hexen mit dem Satan buhlten, so sollte Shao es mit Kataya machen.
Die Chinesin wehrte sich nicht. Ein Glücksgefühl durchströmte sie, und sie merkte es kaum, daß man sie aus- und dann wieder anzog. Was sie trug, war ihr egal.
Von irgendwoher vernahm sie eine Stimme. Sie erinnerte sich, daß Suko es war, der gesprochen hatte, aber die Worte, die er sagte, interessierten sie überhaupt nicht.
Das alles lag so fern, so weit, weit weg…
Kataya meldete sich wieder. Er war da, obwohl sie ihn nicht sah.
Er sprach in ihrem Gehirn, und er bereitete Shao auf das vor, was so wichtig für sie und ihn war.
»Das Böse soll überleben. Du wirst mir dabei helfen. Ich habe es schon vor langer Zeit versucht, damals wehrte man mich ab. Nun habe ich dich gefunden, und du wirst mir das geben, was die andere verweigerte. Hast du verstanden?«
»Ja, ich folge dir.«
Es war ein herrliches Gefühl für Shao, so einfach zu schweben. Sie fiel, aber sie merkte es nicht. Der Boden schien sie anzusaugen, und sie fühlte sich eingebettet in den warmen Schlangenkörper, der ihr den Schutz gab, den sie brauchte.
Das Böse schützte sie!
Für Shao unwahrscheinlich. Leider befand sie sich nicht in einer Verfassung, um darüber nachzudenken. Kataya hatte sie gewollt und auch bekommen.
Und so näherten sie sich dem Grund.
Als der Schlangenkörper zur Ruhe kam, blieb auch sie apathisch liegen. Auf dem Rücken und mit ausgebreiteten Gliedern.
Jetzt erwartete sie ihn.
Und er kam.
Sie sah den Nebel und darin sein Gesicht. Abstoßend, widerlich und häßlich. Für Shao nicht. Sie empfand das Gesicht als eine klare engelhafte Schönheit, und sie freute sich darauf, ihrem Herrn und Meister zu Willen sein zu dürfen.
Bald, sehr bald sogar…
Daß Kataya mit Suko redete, störte sie plötzlich. Was wollte dieser Mann noch hier? Gut, sie hatte ihm erlaubt, mitzugehen, aber jetzt sollte er verschwinden, denn sie gehörte nicht mehr ihm, nur noch Kataya.
Suko ging nicht. Dafür kam Kataya zu ihr. Das gewaltige Gesicht senkte sich. Sie schaute in die Augen, die zwei dunkle Schächte waren.
Und sie hörte die flüsternde Stimme.
»Die Geliebte des Bösen!« hauchte Kataya. »Jetzt ist es soweit. Jetzt werde ich dich…«
Er redete nicht mehr weiter, und auch Shao hörte nicht mehr hin, denn sie gab eine Antwort, die sie selbst nicht erwartet hätte.
Eine andere sprach aus ihrem Mund.
Amaterasu!
***
Ich steckte in der verdammten Wand mit der Hand fest. Und mein bewaffneter Gegner kam näher. Sein erstarrter Flammenkopf leuchtete wie ein Fanal, während ich verzweifelt versuchte, die Hand aus der Wand zu drehen.
Es gelang nicht.
Der andere schlug zu.
Er führte die Bewegungen seines Krummschwerts so schnell, daß mir der Atem stockte. Wenn er noch einige Schritte näherkam, mußte er meine Hand treffen und abhacken.
Was konnte mir noch helfen?
Das Kreuz? Hatte es überhaupt Sinn, wenn ich es aktivierte? War diese Magie nicht eine andere?
An vieles hatte der Prophet Hesekiel gedacht, als er das Kreuz herstellte, nur nicht an die uralten ostasiatischen Mythologien.
Wahrscheinlich waren ihm diese unbekannt gewesen, und darunter hatte ich nun zu leiden.
Nein, aus eigener Kraft schaffte ich es nicht mehr.
Auch der Dolch half mir nicht. Meine Hand klemmte fest, so daß ich die Waffe nicht einsetzen konnte. Es war für meinen Feind leicht, die Hand abzuhacken.
Die anderen Wesen interessierten mich nicht. Ich hatte nur Augen für diesen erstarrten
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